Unter dem Meer
Der Tiefseebergbau birgt neue Probleme
In den Tiefen des Meeres befinden sich enorme Vorkommen mineralischer Rohstoffe, die für etliche Zukunftstechnologien gebraucht werden. Dementsprechend groß sind die Begehrlichkeiten. Über ein rechtlich bindendes Regelwerk, die technologischen Bedingungen und die ökologischen Folgen des Abbaus herrscht jedoch Unklarheit.
Mehrere tausend Meter unter der Wasseroberfläche der Weltmeere warten Milliarden Tonnen begehrter Metalle wie Kupfer, Nickel, Zink, Zinn, Kobalt, Eisen und Mangan, aber auch seltene Metalle wie Gold, Silber, Platin, Titan, Indium, Germanium, Lithium, Selen sowie Seltene Erden darauf, gehoben und in den Wirtschaftskreislauf eingespeist zu werden. Damit könnte man all die Zukunftstechnologien, über die man derzeit spricht, über Jahrzehnte problemlos bauen. Man könnte Batterien, Elektroautos, Smartphones und Computer im Überfluss produzieren, ohne das Problem des Rohstoffmangels lösen zu müssen. Von der Befürworterseite des Tiefseebergbaus wird das Argument vorgebracht, dass damit das ‚leidige‘ Thema der Rohstoffausbeutung der Staaten des Globalen Südens vom Tisch wäre. Es gäbe keine Diskussionen über faire Nutzungsbedingungen – denn die Tiefsee gehört allen und niemanden.
Die Hohe See umfasst alle Teile des Meeres, die nicht zum Küstenmeer, zur folgenden ,Ausschließlichen Wirtschaftszone‘, zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Gewässern eines Archipels (Inselgruppe) gehören. Sie umfasst auch den Meeresboden, sowie den Meeresuntergrund. Dieses Gebiet liegt außerhalb der Reichweite jeglicher nationalen Rechtsprechung. Rechtlich geregelt wird es durch das Seevölkerrecht.
Das UN-Seerechtsübereinkommen qualifiziert den Meeresboden und den Meeresuntergrund samt all ihrer Ressourcen als »Gemeinsames Erbe der Menschheit«. Danach darf sich kein Staat Teile des Meeresbodens (einschließlich des Meeresuntergrundes) oder seine Ressourcen aneignen. Das gesamte Gebiet unterliegt vielmehr einer internationalen Nutzung in Form eines Konzessionsregimes. Die Zuteilung von Nutzungsrechten wird dabei der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB), einer UN-Behörde mit Sitz in Jamaica, übertragen.
Niemand weiß, was der Tiefseebergbau für die Ökosysteme heißt
In den letzten Jahrzehnten haben sich auf diesem Weg zahlreiche Unternehmen und Staaten sogenannte Lizenzgebiete gesichert. Gegen die Zahlung eines vergleichsweise geringen Betrages kann man sich das exklusive Recht zur Erkundung eines bestimmten Teiles des Meeresbodens sichern. Nach erfolgter Erkundung kann der jeweilige Lizenznehmer entscheiden, ob sich eine tatsächliche Nutzung, sprich der Abbau der entdeckten Rohstoffe, lohnt. Dafür ist eine »Abbaulizenz« der IMB nötig. Eine solche wurde bis heute noch nie erteilt, da die technischen Lösungen, wie der Rohstoffschatz am Meeresgrund in großen Mengen und damit wirtschaftlich sinnvoll gehoben werden kann, erst in den Kinderschuhen stecken.
Lizenzen für den Meeresboden
Dennoch ist das Interesse an diesen Lizenzgebieten groß. Auch Deutschland beteiligt sich an diesem Rennen um künftige Rohstoffe. Konkret geht es dabei um ein rund 75.000 Quadratkilometer großes Gebiet zwischen Mexiko und Hawaii, mitten im Pazifischen Ozean. Etwas größer als Bayern wird es gern als »17. Bundesland Deutschlands« bezeichnet. Die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover schätzte bereits vor einem Jahrzehnt, dass sich allein in diesem Gebiet zehn Millionen Tonnen Nickel, acht Millionen Tonnen Kupfer und 1,2 Millionen Tonnen Kobalt befinden würden. Der heutige Marktwert dieser Rohstoffe würde wohl einen Betrag von einer Billion Euro übersteigen. Die Gebühr für die Erschließung dieses Lizenzgebiet betrug übrigens 250.000 US-Dollar. Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass die damalige deutsche Bundesforschungsministerin Annette Schavan das Gebiet als »Schatztruhe« bezeichnete, die es zu erschließen gelte.
So verlockend das Rohstoffparadies am Meeresboden ist – es fehlt auch nach Jahrzehnten der Erkundungen eine verlässliche Abbaumethode für die sagenumwobenen Manganknollen. Diese Mineral-Aggregate liegen angereichert mit all den wichtigen Metallen und Seltenen Erden am Meeresgrund. Zudem lässt sich nicht einmal ansatzweise abschätzen, was so ein großflächiger Abbau am Meeresboden für die dortigen sensiblen Ökosysteme bedeuten könnte.
Bereits im Februar 2011 hat die Internationale Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten am Internationalen Seegerichtshof in Hamburg die Frage diskutiert, wer für die ökologischen Risiken bei einer künftigen großflächigen Förderung von Manganknollen aus der Tiefsee haftet. Demnach müssen alle Staaten, die Förderlizenzen an private Unternehmen weitergeben, ihrer »Sorgfaltspflicht« nachkommen und für die Einhaltung der Gesetze sorgen. Darüber hinaus empfahlen die Richter*innen, einen Haftungsfonds für Umweltschäden durch den Tiefseebergbau einzurichten. Das ist bis heute jedoch nicht passiert.
Tiefseebergbau: Wann geht es los?
Für 2021 war eine entscheidende Weichenstellung für den Tiefseebergbau erwartet worden. Im Dezember fand – pandemiebedingt – erstmals seit zwei Jahren wieder eine IMB-Ministerkonferenz mit persönlicher Anwesenheit statt. Um Streit zu vermeiden, wollte man sich vorläufig nicht auf ein fixes Regelwerk zum Abbau, sondern auf einen Fahrplan zum Beginn des tatsächlichen Rohstoffabbaus einigen. Doch die Zeit drängt. Denn der kleine pazifische Inselstaat Nauru hat eine Klausel im IMB-Regelwerk aktiviert und dem IMB bereits Ende Juni ein Ultimatum für eine Einigung binnen zwei Jahren gesetzt. Nauru kündigte gegenüber der IMB an, dass das Unternehmen Nauru Ocean Resources Inc. – ein Tochternehmen des kanadischen Bergbaukonzerns The Metal Company – in zwei Jahren in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Hawaii und Mexiko mit dem Abbau beginnen wolle.
Sollte bis dahin kein verbindliches Regelwerk vorliegen, wäre die IMB trotzdem zur Vergabe einer Abbaulizenz gezwungen, und der Abbau könnte ohne die entsprechende Regulierung starten. Expert*innen gehen jedoch davon aus, dass dies tatsächlich frühestens 2026 beginnen könne – nach Beantwortung der noch immer nicht endgültig geklärten technischen Fragen, wie ein solcher Abbau großräumig funktionieren soll.
Doch ob reguliert oder nicht: Viele Expert*innen, Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und der WWF, mehrere Staaten und auch große Unternehmen sind der Auffassung, dass Tiefseebergbau überhaupt nicht praktiziert werden sollte. 80 Prozent der Tiefsee sind bis heute unerforscht, die Flora und Fauna ist extrem vielfältig und sensibel. Jeder Eingriff könnte unabsehbare und irreversible Folgen haben.
Prominente und unerwartete Unterstützung gab es dafür vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er verlangte gar einen rechtlichen Rahmen, um den Tiefseebergbau zu stoppen und forderte die Länder auf, ihr Geld in die Wissenschaft zu stecken, um die Weltmeere besser zu verstehen und zu schützen. Ob diese Initiative jedoch ausreicht, um die Begehrlichkeiten nach mineralischen Rohstoffen vom Meeresboden zu stoppen, liegt im Dunkeln.
Tief im Norden – Grönland besitzt Seltene Erden und Uran
Die jüngste Staffel der dänischen Erfolgs-TV-Serie »Borgen – Gefährliche Seilschaften« thematisiert die weltweiten Begehrlichkeiten nach Grönlands Rohstoffen. Die Fernsehwelt trifft auf die wirkliche Welt. Grönland, die größte Insel der Welt – immerhin achtmal so groß wie Deutschland – ist nicht nur reich an Eis, sondern auch an Rohstoffen wie Erdöl, Eisen und Seltenen Erden. Die Vorkommen sind kaum erschlossen.
Die in Grönland bisher entdeckten Vorkommen an Seltenen Erden würden rund ein Fünftel des Weltbedarfs abdecken. Deren Abbau wäre aber mit massiven Umweltbeeinträchtigungen verbunden. Die mögliche jährliche Ausbeute wird mit rund 40.000 Tonnen Seltenen Erden veranschlagt.
Bereits im Herbst 2013 hatte das Parlament in Grönland das Förderverbot für die Ausbeutung radioaktiver Bodenschätze wie Uran gekippt. Das Gesetz erlaubte jetzt die künftige Gewinnung von Metallen, bei denen Uranerz als Nebenprodukt anfällt. Das kann Grönland mit einem Schlag unter die Top-Ten der Uranerz-Förderländer weltweit katapultieren.
Neben den zu erwartenden Umweltproblemen gibt es auch eine Reihe von rechtlichen und politischen Unwägbarkeiten. Aufgrund der staatsrechtlichen Sonderstellung Grönlands als autonomer Teilstaat von Dänemark ist weder die Kontrolle noch die Verbreitung der so gewonnen radioaktiven Stoffe geregelt. In der Bevölkerung ist die Förderung umstritten. Ende 2021 hat die neue grönländische Regierung knapp ein Gesetz zum Uran-Abbau beschlossen: Wo Uran vorkommt, aber unterhalb eines bestimmten Grenzwertes, dürfen andere Rohstoffe abgebaut werden. Die aktuelle Regierung lehnt großangelegten Uranabbau ab.
Angesichts dieser Situation – große unerschlossene Rohstoffvorkommen, geringe Bevölkerungszahl, keine eigene tragfähige Wirtschaft – ist es verständlich, dass Grönland zunehmend in den Fokus geopolitischer Akteure gerät. In der realen Politik wie eben auch in der fiktionalen Fernsehwelt, was sich vermischen kann. Bekanntlich wollte schon einmal der ehemalige US-Präsident Donald Trump Grönland kaufen.