Pioneers of Change?
Ambivalente Gendernormen in Tigray
In den 1980er-Jahren verbanden Frauen beim Befreiungskampf in Tigray in Äthiopien die Teilnahme am bewaffneten Kampf der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) mit ihrem Streben nach Gleichberechtigung. Damals stellte sich die TPLF der Mengistu-Diktatur entgegen. Im jüngsten Bürgerkrieg zwischen der TPLF und der äthiopischen Zentralregierung besteht eine völlig andere Konfliktlage. Doch die TPLF greift bei ihrer Mobilisierung von Frauen auf alte Propagandamuster zurück.
In Tigray wiederholt sich die Geschichte des über 30 Jahre zurückliegenden Befreiungskrieges der TPLF und ihrer bewaffnetetn Kämpferinnen zweifach: das eine Mal als Tragödie des 2020 eskalierten Bürgerkriegs und das andere Mal als Musikvideo. 2022 erschien ein Video zum Song Kol’a Tigray mit der Sängerin Rahel Haile.* Es feiert Frauen aus Tigray, die als Milizionärinnen in Militärttarnhosen und roten T-Shirts mit goldenem Stern über unwegsame Bergpfade schreiten. Dazwischen Schwarzweißzeichnungen in einer Ästhetik, die Revolutionsbilder der TPLF aus den 1980er-Jahren reproduzieren; Szenen, in denen Frauen mit dem Sturmgewehr tanzen. Redundant werden Fotos der Sängerin Rahel Haile im Militärdress präsentiert, die mit Bildern von ihr im traditionellen Festkleid verschmelzen. Junge Frauen ergreifen die Waffen und Großmütter verabschieden ihre Töchter und Enkel*innen an die Front.
Das Video wurde über eine Millionen mal geklickt. Es war über 16 Wochen in den Top 40 der tigrinischen Charts – auch noch, als längst offensichtlich war, dass der bewaffnete Kampf gegen die äthiopische Armee in Blutvergießen, Massakern, Massenvergewaltigungen, Flucht und Hunger mündete. Inmitten des Bürgerkrieges kämpften Frauen aufseiten der TPLF gegen die Truppen der