Wenn Blicke töten
Der sowjetische Film »Vij« und der ‚westliche‘ Horror
Das Horrorgenre stand dem Kunstverständnis der sowjetischen Filmindustrie entgegen. Dennoch wagten sich 1966 zwei Absolventen der staatlichen Filmhochschule an eine Filmadaption der Schauererzählung »Vij« (im Deutschen: »Wij«) von Nikolaj V. Gogol. Die Motive sind zeitlos und erschrecken auch heute noch in Kinofilmen oder Computerspielen.
»Zu mir, Erdgeister! Zu mir, Vampire! Bringt den Vij!« Die Hexe lässt eine ganze Schar von Monstern auf den Seminaristen Choma los, doch als sie den Namen des furchtbaren Anführers der Gnome ausspricht, schrecken sogar diese schrecklichen Kreaturen zurück. Vij entpuppt sich jedoch als plumpes, untersetztes Wesen, das auf die Zuschauer*innen so gar nicht angsteinflößend wirkt. Die Szene ist charakteristisch für den oft als einzigen sowjetischen Horrorfilm bezeichneten Klassiker »Vij« (1967), welchen die Regisseure Konstantin V. Eršov und Georgij B. Kropačëv nach Motiven der gleichnamigen Erzählung des Schriftstellers Nikolaj V. Gogol aus dem Jahr 1835 umsetzten. Immer wieder lösen sich im Film schauerphantastische mit humorvoll-realistischen Szenen ab. Das verleiht ihm seine ganz eigene Stimmung zwischen Märchenfilm und Literaturadaption.
Diese Charakteristik des Films rührt aber auch daher, dass »Vij« eine konfliktreiche Produktionsgeschichte aufweist. Denn eigentlich ist in der sowjetischen Filmindustrie für Horror kein Platz. Das wollen Eršov und Kropačëv ändern. Um ihr Vorhaben zu rechtfertigen, argumentieren sie gegenüber dem staatlichen Filmkonzern Mosfilm: »Das sowjetische Kino kann es sich einfach nicht leisten, ausländischen Künstlern das Recht zur Ausbeutung und sogar zur räuberischen Nutzung des Schatzes russischer klassischer literarischer Stoffe zu überlassen, insbesondere solcher, die folkloristische Motive enthalte