EACOP Schlagzeilen & Hintergründe | Teil 2

Aktuelle Infos

Audiobeitrag von Martina Backes

02.04.2024

Lizenzen für Erdgas, LNG und Erdöl in Ostafrika +++ Ölexport von der DR Kongo anvisiert +++ Arbeitet die halbstaatliche chinesische Ölgesellschaft CNOOC mit dem ugandischen Militär zusammen? Fischergemeinden von der Ölförderung betroffen +++ In Planung: Eldoret-Kampala-Kigali Pipeline für raffinierte Erdölprodukte +++ Festnahmen und Einschüchterungen von Jurist*innen und Umweltexpert*innen in Tansania und Uganda +++ Klage gegen Rückversicherer wie die MARSH MCLennon Group +++


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Erstausstrahlung am 2. April 2024 im südnordfunk #119

Blaue Wirtschaft in Tansania

»Im Namen der Revolutionsregierung von Sansibar freue ich mich, Investoren willkommen zu heißen, welche die enormen Möglichkeiten in unserem Land nutzen wollen.« Mit diesem Zitat von Hussein Ali Mwinyi, dem Präsidenten des halbautonomen Teilstaates Sansibar, lädt die Website zanzibar1stround Investoren ein, Lizenzen zur Öl- und Gasförderung im Indischen Ozean vor Tansanias Küsten zu erwerben.

Im Juni 2023 berichtet das Medienunternehmen Bloomberg: Tansania will im ersten Quartal 2024 Lizenzvergaben für Erdöl und Erdgas starten, um mehr Investor*innen zu gewinnen. Der Hintergrund: Die europäischen Länder versuchen, ihre Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern und andere Energiequellen zu nutzen.

Am 21. März dieses Jahres berichtet die Tansanische Tageszeitung The Citizen: Der Sansibarische Präsident Mwinyi und seine Regierung sowie das Ministerium für „Blue Economy“ - Blaue Wirtschaft und Fischerei - haben die erste Lizenzvergaberunde eingeleitet. In dieser können Gebote für 8 Blöcke mit einer Gesamtfläche von über 30.000 Quadratkilometer abgegeben werden. Die Gebiete liegen vor der Küste östlich der Unguja- und Pemba-Inseln in Wassertiefen zwischen 500 und 3.000 Metern. Sie sind Teil eines auf fünf Jahre angelegten Explorationsplans.

Dies ist eine von vielen Entwicklungen, die zeigen, wie die Länder der Ostafrikanischen Gemeinschaft fossile Projekte vorantreiben, in der Hoffnung auf Energiesicherheit - so zumindest die offiziellen Worte. Doch die Erschließung fossiler Energieträger, ob Gas, Erdöl oder Kohle, bleibt für Mensch und Umwelt nicht ohne Schaden. Und die Folgen für den Klimawandel sind offensichtlich, während es höchst unsicher bleibt, ob die enormen Investitionen tatsächlich mehr Energiesicherheit für die Bevölkerung bedeuten.

Bereits im letzten Jahr hatte die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan die Verhandlungen mit den großen Ölkonzernen über ein Onshore-LNG-Terminal wiederaufgenommen. Ein Onshore-LNG-Terminal kann verflüssigtes Erdgas aufnehmen. Die Gespräche über eine 42 Milliarden Dollar teure Anlage für verflüssigtes Erdgas ebneten den Weg für die Unterzeichnung von Verträgen für das Projekt - doch auch Ende Februar 2024 war dieses Projekt noch nicht in trockenen Tüchern.*

Fossile Projekte im Albertgraben

Bereits 2023 einigte sich die Demokratische Republik Kongo und Uganda auf eine Absichtserklärung. Diese soll der Demokratischen Republik Kongo den Export von Öl aus dem Albertgraben gestatten. Das Albertseebecken liegt an der westlichen Grenze Ugandas und der östlichen Grenze der Demokratischen Republik Kongo.

Trotz seines – wie es heißt - beträchtlichen Potenzials ist ein Großteil des Grabengebiets noch unerforscht. In 2022 gab die DR Kongo 30 Öl- und Gasblöcke für die Förderung frei – der Export durch die EACOP, deren Bau diesen Monat starten soll, würde damit auch der DR Kongo den Zugang zu internationalen Märkten für das im Land liegenden Öl sichern.

Bereits auf der UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 hat Präsident Tshisekedi die DR Kongo als »Lösungsland« im Kampf gegen die Klimakrise präsentiert, berichtet die NGO Rettet den Regenwald. Die üppigen Wälder, das Potenzial für erneuerbare Energien und bestimmte Rohstoffe trügen dazu bei. Doch es gibt Bedenken seitens der lokalen Gemeinden*, und der Erdöl-Plan untergräbt die globalen Bemühungen und gefährdet das Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

 

Ölstreitigkeiten besiegeln – mit der Eldoret-Kampala-Kigali Pipeline

Uganda verfolgt nicht nur eine Exportstrategie für sein Rohöl. Es möchte auch die eigene Ölimportpolitik umstellen. Bisher importiert Uganda 9 von 10 Litern der im Land genutzten raffinierten Treibstoffe aus dem kenianischen Hafen Mombasa, den Rest aus Dar Es Salaam, Tansania.

Im November 2023 weigerte sich Kenia, der Uganda National Oil Corporation (Unoc) eine Lizenz für die Tätigkeit als lokaler Ölvermarkter zu erteilen. Daraufhin rief Uganda im vergangenen Monat den East African Court of Justice an, um Kenia zu zwingen, die Genehmigung zu erteilen. Uganda beschuldigte Kenia, eine frühere Zusage vom April letzten Jahres nicht eingehalten zu haben.

Ende Februar einigten sich der ugandische Präsident Museveni und sein kenianischer Amtskollege William Ruto laut der kenianischen Tageszeitung Nation darauf, den Bau der Eldoret-Kampala-Kigali Pipeline für raffinierte Erdölprodukte voranzutreiben. Sie meinen, mit dieser Pipeline wettbewerbsfähige Preise und logistische Effizienz bei regionalen Kraftstoffeinfuhren gewährleisten zu können.

Die Pipeline hat ihren Ursprung im Hafen von Mombasa am Indischen Ozean und führt aktuell über Nairobi bis nach Eldoret. Dieser Teil der Pipeline ist seit Mai 2014 in Betrieb. Seit vielen Jahren kursiert die Idee, diese Pipeline zu verlängern, zunächst bis nach Kampala, dann weiter bis in Ruandas Hauptstadt Kigali. Eventuell sogar bis Bujumbura in Burundi am Tanganyika See. Da die Präsidenten von Kenia und Uganda ihren 2023 eskalierten Ölstreit nun beilegen wollen, könnte die vorgeschlagene Route der Pipeline über eine Strecke von rund 1.800 Kilometern vielleicht doch noch realisiert werden, heißt es in den Medien.

Das bedeutet: Während Uganda sein Rohöl über die EACOP in den tansanischen Hafen nach Tanga am Indischen Ozean transportieren und dann auf dem Weltmarkt veräußern will, soll zugleich von Mombasa, 130 Kilometer nördlich von Tanga, raffiniertes Öl über eine andere Pipeline über Eldoret wieder nach Kampala transportiert werden.

Rohöltransport für den Weltmarkt, raffiniertes Öl vom Weltmarkt für den eigenen Energiebedarf. Das ist ein altes Muster: An der Veredelung des Rohöls werden andere profitieren, ebenso am Transport. Das zweifach über tausende Kilometer transportierte Öl belastet hochgradig die Umwelt. Klimapolitisch ist die EACOP laut zahlreicher Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen ein Desaster, Klimagerechtigkeit sowie der Zugang zu sauberer Energie scheinen hier keine Priorität zu haben.

Doch noch ist diese Eldoret-Kampala-Kigali Pipeline* Zukunftsmusik: In einem Bericht von Diplo-Brief aus Kenia, einer Plattform für Außen- und Regionalpolitik von Februar 2024, heißt es: Spekulant*innen hätten sich in den Gebieten des Pipeline-Korridors Eldoret-Kampala auf den Erwerb von Grundstücken gestürzt – damit seien die zu entschädigenden Betroffenen und ihre berechtigten Forderungen inzwischen unüberschaubar geworden: Tankstellen, Hotels und Supermärkte entlang der Route sind nur schwer oder kostspielig zu entschädigen.

Sharepic mit Logo der Klimakrise in der Pipeline
Klimakrise in der Pileline: EACOP Schlagzeilen & Hintergründe | Teil 2 | April 2024

Militarisierung der Erdölregion

Nach Angaben von Just Finance International verbrannten ugandische Soldaten am 16. Januar 2024 in der Nähe des Kingfisher-Öl- und -Gasprojekts Fischerboote und Ausrüstungen, die für den Lebensunterhalt der Einheimischen unerlässlich sind. Damit eskalierten die anhaltenden Streitigkeiten über die Auswirkungen der Ölförderung am Lake Albert.

Bei dem Kingfisher-Projekt bohrt der chinesische Konzern CNOOC nach Öl und Gas. CNOOC hat mit über 28 Prozent einen wesentlichen Anteil an der EACOP. Der Vorfall am Albertsee, der nach Angaben von Just Finance International Hunderte von Dorfbewohner*innen ihrer Haupteinkommensquelle beraubte, führte auch zu Verhaftungen. Es ist der jüngste in einer Reihe von Beschwerden im Zusammenhang mit dem Kingfisher-Projekt. Darunter: Zwangsumsiedlungen, unzureichende Entschädigungen, Umweltschäden und militärische Einschüchterungen rund um den Albertsee, so Just Finance International. Das Kingfisher Ölförderfeld liegt am Albertsee, in dessen Mitte die Grenze zwischen Uganda und der DR Kongo verläuft.

Wawa Wang, Direktor von Just Finance International schreibt an das Unternehmen CNOOC: »Als führender Projektträger im Kingfisher-Ölfördergebiet steht CNOOC in der Verantwortung, die ugandische Regierung aufzufordern, den Einsatz übermäßiger Gewalt zu beenden, die die einzige Lebensgrundlage der vom Projekt betroffenen Fischerfamilien vernichtet. Die extremen Verstöße stehen im Widerspruch zu Chinas staatlichem Engagement für die Sicherheit und den Wohlstand der lokalen Bevölkerung.«*

Soweit bekannt, äußerte sich das Unternehmen bis zum 18. März nicht zu der Aufforderung. Nach Angaben von Just Finance Internationals (JFI) arbeitet die halbstaatliche chinesische Ölgesellschaft CNOOC mit dem ugandischen Militär zusammen. Ziel ist, dass in dem Gebiet weniger Boote fahren, und das Unternehmen ungestört nach Öl bohren kann.

Einem Anwohner zufolge ist das King-Fisher-Gebiet in letzter Zeit stark militarisiert worden. Wegen der Ölaktivitäten ist in dem Gebiet ein kompletter Militärapparat stationiert, was viele Fischer dazu zwingt, sich in die Gewässer der Demokratischen Republik Kongo hinauszuwagen, wodurch sie in die Hände von Rebellen geraten...

 

Festnahmen …

Am 24. Januar 2023 wurde der Menschenrechtsverteidiger Barigye Bob auf dem Polizeirevier Wandegeya festgenommen und inhaftiert. Laut dem Business & Human Rights Resource Centre organisierte Barigye Bob eine Debatte über die ökologischen, menschenrechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der East African Oil Crude Pipeline (EACOP), als die Polizei den Ort blockierte und ihn festnahm.

Barigye ist Klimaaktivist und Anwalt für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte. Er arbeitet mit der Afrikanischen Initiative für Ernährungssicherheit und Umwelt zusammen, African Initiative on Food Security and Environment (AIFE). Laut Witness Radio Uganda wurde er im Jahr 2023 zur Abschreckung mehr als drei Mal willkürlich verhaftet und inhaftiert.

Ende Juni 2023 informierte das Witness Radio: Immer mehr Umwelt- und Landrechtsverteidiger, die unverantwortliche Geschäftspraktiken angefochten haben, geraten ins Visier staatlicher Kontrollen. Im ersten Halbjahr 2023 waren das über 1.500 Personen. Die Welle der Verhaftungen scheint nicht abzunehmen.

Der jüngste Kurzbericht mit dem Titel »The State of Planet, Environmental, and Land Rights Defenders in Uganda 2023«*, ebenfalls von Witness Radio, dokumentiert 181 Fälle von willkürlichen Verhaftungen, Inhaftierungen, Verschwindenlassen und anderen Vergeltungsmaßnahmen. All das weist darauf hin: Neben der eigentlichen Arbeit sind in Uganda Menschenrechtsverteidiger ständig mit Kriminalisierung konfrontiert.

 

…und Einschüchterung

Auch vom Bau der EACOP betroffene Personen werden immer wieder eingeschüchtert. Am 11. März 2024 wurden neun Personen aus den Dörfern Golimba und Diloda im Hanang-Distrikt in Tansania separat mehrere Stunden lang von der Polizei verhört. Dabei wurden sie unter anderem gefragt, warum sie sich gegen das EACOP-Projekt wehren und wer sie unterstützt; ob sie bestimmte tansanische Akteure der Zivilgesellschaft, die sich dafür einsetzen, die mit dem EACOP-Projekt verbundenen Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen aufzudecken, kennen und/oder mit ihnen zusammenarbeiten. *.

Dieser Vorfall reiht sich ein in ein beunruhigendes Muster willkürlicher Verhaftungen und Einschüchterungen von Personen, die sich kritisch zum EACOP-Projekt äußern. Die zivilgesellschaftliche Organisation Inclusive Development International (IDI) aus Ashville, USA, äußerte sich besorgt um die Rechte und die Sicherheit von Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen in Tansania.

Am 24. März haben 74 Umwelt – und Menschenrechtsorganisationen dagegen Stellung bezogen. Gruppen aus Uganda, Tansania, Nigeria, Sierra Leone, Südafrika, Kenia, Japan, den Niederlanden sowie Frankreich veröffentlichten in Dar Es Salaam eine gemeinsame Stellungnahme.

Frau mit Protestschild MARSH: Drop EACOP
Aktivist*innen des Bündnisses Insure Our Future Coalition protestieren vor dem Headquarter von Marsh McLennan in New York (Juli 2022) | Foto: Erik McGregor

Versicherer blockieren: MARSH MCLennon Group

Druck auf Geldgeber*innen ist ein wichtiger Hebel, um bei klima- und umweltschädlichen Investitionen in fossile Projekte die Menschrechte zu wahren. Dafür werden die beteiligten Investor*innen aufgedeckt und aufgefordert, internationale Richtlinien einzuhalten.

Inclusive Development International *und zehn Menschenrechts- und Umweltorganisationen in Uganda und Tansania haben am 23. März bei der US-Regierung eine Beschwerde eingereicht. Darin behaupten sie, der in New York ansässige Versicherungsriese Marsh, ein Mitglied der Marsh McLennan-Gruppe, habe gegen internationale Richtlinien für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken verstoßen, indem er als Versicherungsmakler für die höchst umstrittene East African Crude Oil Pipeline (EACOP) fungierte.

Die zehn Personen, welche die Beschwerde bei der Nationalen Kontaktstelle der USA für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen einreichten, bleiben aus Angst vor Repressalien anonym. Die Nationale Kontaktstelle ist ein Büro innerhalb des US-Außenministeriums, das mit der Bearbeitung von Vorwürfen gegen amerikanische Unternehmen beauftragt ist.

In der Beschwerde heißt es: Marsh hat versäumt, die menschenrechtlichen und ökologischen Folgen des Projektes zu prüfen, bevor es sich daran beteiligt hat. Es trage zu den schädlichen Auswirkungen des Projekts bei und verstoße gegen die Verantwortung des Unternehmens gemäß den OECD-Leitsätzen.

Die Beschwerdeführer*innen fordern Marsh auf, die Unternehmenstätigkeit wieder mit den OECD-Leitsätzen in Einklang zu bringen, indem es sich von seiner Rolle als Vermittler für das Projekt zurückzieht und sich verpflichtet, in Zukunft keine Vermittlungsdienste für das EACOP-Projekt mehr anzubieten.

In Anbetracht der Schwere der Vorwürfe schlagen die Beschwerdeführer*innen vor, Marsh solle sich zumindest verpflichten, nicht mehr für das EACOP-Projekt zu arbeiten, bis die Beschwerde geklärt ist. Die Beschwerde ist eine von vielen, die von Seiten der Menschenrechtsverteidiger vor einem Gericht eingereicht wurde und über ein Divestment versucht, riskante fossile Megaprojekte zu stoppen.

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