Nahaufnahme einer Hand, von der Blut tropft. Szene aus Baskin (2015) | Bild: Capelight Pictures
Widerstand gegen die Staatsgewalt? In Baskin (2015) haben es Zombies auf Polizisten abgesehen. | Bild: Capelight Pictures

»In der Türkei funktionieren Filme über das Ohr«

Der Regisseur Cem Kaya über Geschichte und Entwicklung des türkischen Horrorfilms

Das Interview führte Katrin Dietrich

13.12.2022
Veröffentlicht im iz3w-Heft 394
Teil des Dossiers Grauen ohne Grenzen

iz3w: In der Türkei entstanden die ersten Horrorfilme ab den 1950er- und 60er-Jahren. Wie waren die Bedingungen für türkische Filmschaffende in dieser Zeit und mit welchen Themen haben sich diese Filme beschäftigt?

Cem Kaya:In der Türkei gab es damals keine Filmemacher*innen, die auf Horror spezialisiert waren. Die türkische Filmindustrie hat alle möglichen Genres ausprobiert und sich dabei auch an Horror versucht. Ein frühes Beispiel ist »Dracula in Istanbul« von Mehmet Muhtar aus dem Jahr 1953, eine Adaption von Bram Stokers Dracula, der für die damaligen Verhältnisse mit großem Budget gedreht wurde. Dann erschien 1955 eine Adaption von H. G. Wells’ »The Invisible Man« von Lütfi Ömer Akad, der auch sehr aufwändig war, weil man Tricktechnik benutzen musste. Und diese Technik gab es mangels Finanzierung in der türkischen Filmindustrie fast nie. Deswegen ist Horror im türkischen Kino etwas vernachlässigt worden, weil man kein Geld für Spezialeffekte hatte.

Wie hat das Publikum auf die ersten Horrorfilme reagiert?

Die türkischen Zuschauer*innen sind ein sehr gnädiges Publikum, das damals keine großartigen Effekte erwartet hat. Man kannte natürlich das internationale Kino und Hollywood-Produktionen, die schon in den 1930er-Jahren in der Türkei gelaufen sind. Aber die Kinogänger*innen waren bei Filmen aus der Türkei in ihrer Kritik milder gestimmt.

Das könnte daran liegen, dass Storytelling im anatolischen Kontext eine eher orale als eine visuelle Tradition hat. Deswegen wird in türkischen Filmen auch so viel geredet. Es gibt eine tolle Anekdote des Drehbuchautors Bülent Oran, der eine befreundete Familie vor einem Open-Air-Kino sitzen sieht. Als er fragt, warum sie nicht reingehen, antworten sie: »Wir hören uns den Film a

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