Das hungrige Loch in der weißen Identität
Identitätspolitik und Cultural Appropriation
Kritik an dem Konzept und der Problematisierung von Cultural Appropriation, also kultureller Aneignung, ist ein beliebtes Argument gegen linke Identitätspolitik. In ihrer Allgemeinheit ist diese nicht berechtigt, die Auseinandersetzung ist komplizierter.
In den 1970ern organisierten sich Schwarze, Indigene und Homosexuelle in den USA gegen die normativen Ansprüche der Mehrheitsgesellschaft, die über Jahrhunderte durch Terror, Folter und Diskriminierung versucht hatte, sie physisch und psychisch zu unterwerfen. Schwarze und Indigene warfen Stigmata ab und erklärten die Arbeit an einer eigenen, positiven kulturellen Identität oder Gegenidentität zur politischen Praxis. Homosexuelle wehrten sich gegen Anpassungsdruck und Kriminalisierung und entwarfen mit den Gay Prides Feste der Selbstheilung, deren Gegenkultur gegen permanente Erniedrigungen und die Verachtung aus der Mehrheitsgesellschaft bestehen konnte.
Natürlich verdient Kultur keinen Respekt
Zur gleichen Zeit werkelte der Faschist Alain de Benoist an seiner Idee der Neuen Rechten. Er erklärte die ethnische Identität zur Pflicht und den Ethnopluralismus zum Ziel. Universalismus wird dabei als Gegner begriffen. Die Neue Rechte in den USA erkannte das Potential rechter Identitätspolitik ebenso wie die deutschen Neofaschisten, von denen sich in jüngerer Zeit die Gruppe der »Identitären« als Ideen- und Kaderschmiede hervortat. Rückprojektionen auf Germanen, Wikinger und Kelten bilden einen ästhetischen Bezugspunkt rechter Identitätspolitik und fantasieren eine angeblich deutsche beziehungsweise europäisch-weiße Identität ohne den Makel der Moderne, der Genozide und des Rassismus. Dabei geht es darum, sich als von Moderne, Kapital und Weltgesellschaft bedrohte Minderheit zu fühlen, um gleichzeit