»Klimafinanzierung ist keine Wohltätigkeit für Afrika«

Interview mit Mithika Mwenda, Direktor der Panafrican Climate Justice Alliance

Audiobeitrag von Antonia Vangelista

06.12.2023

Die Weltklimakonferenz in Dubai steht unter dem Motto der weltweiten Bestandsaufnahme. Ein Streitpunkt: Geld für Klimaschutz und Anpassung. Mithika Mwenda, Direktor der Panafrican Climate Justice Alliance, sagt: Länder des Globalen Nordens müssen mehr Geld bereitstellen, insbesondere für Klimaanpassung. Seine Organisation vertritt über 100 Organisation aus 51 Ländern. Kurz vor der Konferenz beantwortet Mwenda unserer Kollegin Antonia Vangelista, welche Forderungen und Erwartungen seine Delegation im Gepäck hat.


Portrait von Mithika Mwenda (Direktor der Panafrican Climate Justice Alliance) in seinem Büro mit Zertifikat für die 100 wichtigsten Persönlichkeitenn
Mithika Mwenda, Direktor der Panafrican Climate Justice Alliance (PACJA) in seinem Büro im November 2023 | Foto: David Ehl

Skript zum Audiobeitrag

Erstausstrahlung am 5. Dezember 2023 im südnordfunk #115

Sprecherin: Gemeinsam mit anderen deutschen Journalist*innen treffe ich Mithika Mwenda in seinem Büro in Nairobi. Panafrican Climate Justice Alliance steht in großen Buchstaben am dunkelgrünen, metallenen Eingangstor. Es ist der 23. November 2023: vier Tage, bevor der Direktor der Panafrican Climate Justice Alliance mit seinen Kolleg*innen zur Weltklimakonferenz nach Dubai aufbricht. Als wir ankommen, werden wir zunächst in einen Konferenzraum geführt, in dem drei, vier Mitarbeiter*innen konzentriert vor ihren Laptops sitzen. Der Chef ist noch in Telefonate eingespannt, die Vorbereitungen für Dubai laufen auf Hochtouren. Die Konferenz ist für seine Organisation allerdings nur ein kleiner Baustein ihrer Arbeit für Klimagerechtigkeit, wie uns Mithika Mwenda im Interview erzählt.

Mithika Mwenda: Letzten Endes geht es bei allen Diskussionen, die wir führen, um ein gemeinsames Problem. Ob bei der COP, beim ersten afrikanischen Klimagipfel letzten September, der eine sehr wichtige Rolle spielte, ob in der Generalversammlung der Vereinten Nationen oder wo auch immer. Wir haben erkannt, dass der Klimawandel eines der wichtigsten Themen der Welt ist. Er treibt die globalen diplomatischen und geopolitischen Interaktionen an. Man kann nirgendwo auf der Welt zur Tagesordnung übergehen, ohne den Klimawandel zu erwähnen. Er ist also sehr wichtig. Wir haben anerkannt, dass der Klimawandel ein Faktor für Entwicklung ist. Aber wir sind uns nicht einig, wie wir seine Auswirkungen bekämpfen sollen, und wer das tun soll. Aus diesem Grund ist das Thema Anpassung an den Klimawandel eine unserer Verhandlungspfeiler. Es ist eine Priorität für Afrika, wenn wir zur COP 28 gehen. Wie können wir die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften stärken?

Dann die Verluste und Schäden, die wir aktuell erleben: Die Infrastruktur wurde weggefegt, und wir wissen, dass diese Auswirkungen menschengemacht sind. Sie wurden von den Industrieländern, Deutschland, dem Westen, den USA und anderen Ländern durch ihre Industrialisierung und Entwicklung verursacht. Das haben die Industrieländer im Rahmen des Pariser Abkommens zum Klimawandel anerkannt. Und sie haben die Verantwortung, sich wirklich an das Abkommen zu halten und zum Beispiel Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um die Folgen entweder abzuschwächen oder sich anzupassen.

Sprecherin: Die zerstörte Infrastruktur, von der Mithika Mwenda spricht, sind Häuser, Straßen und Felder im Nordosten Kenias. Seit Wochen wird die Region von starken Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht. Dörfer sind von der Außenwelt abgeschnitten, mehr als 130 Menschen sind gestorben, fast eine halbe Millionen Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Um solche Verluste zu entschädigen, hat sich die Weltgemeinschaft bei der Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr nach vielen Diskussionen darauf geeinigt, einen Fonds für Schäden und Verluste, Loss and Damage Fund, einzurichten. Am ersten Tag der diesjährigen Konferenz wurde er offiziell ins Leben gerufen. Laut dem Direktor der Panafrican Climate Jusctice Alliance ein wichtiger Schritt, der aber auch Haken hat:

Mithika Mwenda: Wie Sie wissen, wird die Weltbank den Fonds einrichten. Natürlich löst das bei einigen von uns Unbehagen aus, denn die Weltbank war noch nie freundlich zu armen Gemeinschaften. In der Tat denken wir hier in Afrika, dass die Weltbank mit ihrer Politik zur Armut in einigen Ländern beiträgt. Die Frage ist also: Wie kann man der Weltbank vertrauen, dass sie einen solchen Fonds einrichtet? Dies sind einige der Dinge, über die wir diskutieren.

Doch das Wichtigste ist nicht, den Fonds zu haben. Wir haben so viele Fonds: einen Anpassungsfonds, den Grünen Klimafonds, den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder. Das einzige Problem ist: Sind diejenigen, die das Problem verursacht haben, diejenigen, die das Geld hineingeben sollen, wirklich daran interessiert, den Fonds für Verluste und Schäden tatsächlich zu finanzieren? Das ist die Befürchtung, die wir bei der Weltklimakonferenz in Ägypten 2022 geäußert haben. Nehmen wir an, die Industrieländer sagen: Okay, ihr bekommt den Fonds. Aber sie lassen den Topf weitgehend leer und geben kein Geld, so wie bei den anderen Klimafonds. Wir werden also erst dann zufrieden sein, wenn wir sehen, dass das Geld dort eingesetzt wird, und zwar in großem Umfang.

Bescheidene Gaben

Sprecherin: Am ersten Tag des Gipfels haben Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate jeweils 100 Millionen US Dollar für den Fonds für Schäden und Verluste zugesagt. Auch Entwicklungsbanken wollen ihre Finanzierung aufstocken. Länder des Globalen Südens brauchen aber nicht nur 100 Millionen oder 100 Milliarden, sondern nach aktuellen Berechnungen 2,4 Billionen US Dollar, um der Klimakrise zu begegnen. Und zwar jährlich. Besonders wichtig für Mwenda sind Budgets, damit sich Menschen, Dörfer, Städte und Länder an die Klimaveränderungen anpassen können, etwa an Dürren und Überschwemmungen.

Mithika Mwenda: Die Frage der Anpassung ist für uns in Afrika sehr wichtig. Wie werden wir eine ausgewogene Finanzierung zwischen Anpassung und Emissionsreduktion erreichen? Einige Länder sind davon nicht so begeistert. Ihre Priorität ist nicht die Anpassung. Denn es ist eine Agenda für Afrika und für den Globalen Süden, die sich wirtschaftlich nicht lohnt, es gibt dabei keine Profite für Investitionen. Daher hat der Emissionsschutz für einige Länder und den privaten Sektor eine höhere Priorität. Denn sie können Geld verdienen, indem sie in erneuerbare Energien und Technologien investieren. Deshalb konzentrieren sie sich nicht auf Anpassung an den Klimawandel, aber für uns ist das ein wichtiges Thema während der COP.

»Ist das also nur wieder heiße Luft?«

Nach alledem stellt sich die Frage: Wohin geben wir das Geld? Die OECD hat erst neulich einen Bericht veröffentlicht, in dem sie mitteilte, dass sie ihr Ziel von hundert Milliarden US Dollar pro Jahr erreicht hat. Wir von der Panafrican Climate Justice Alliance vertreten arme Gemeinschaften, Graswurzelbewegungen, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen. Bei uns sind auch Frauenorganisationen und kleine Unternehmer*innen organisiert. Diese Menschen stehen an der vordersten Front der Klimakrise. Wir haben von diesem Geld gehört, aber wir fragen die OECD, wo dieses Geld gelandet ist. Wir haben es nicht gesehen. Ist das also nur wieder heiße Luft? Es handelt sich also um eine weitere heiße Luft? Sie sprechen auf dem Papier über einige Dinge, aber auf lokaler Ebene spüren wir davon nichts. Das sind also ein paar der Themen, die wir bei der COP zur Sprache bringen werden.

Sprecherin: Ihre Organisation hat im Oktober mit vielen anderen eine Erklärung an den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank veröffentlicht. Sie sagen, dass die Finanzierung für die Anpassung an den Klimawandel viel stärker aufgestockt werden muss, auch im Vergleich zur Eindämmungsfinanzierung, die im Moment Priorität hat. Warum ist die Anpassungsfinanzierung für die afrikanischen Länder wichtiger ist als die Finanzierung zur Eindämmung des Klimawandels?

Mithika Mwenda: Wenn man sich die afrikanische Position anschaut, war unsere Priorität stets Anpassung. Warum? Weil wir auf Sektoren angewiesen sind, die von der Natur abhängen und durch den Klimawandel beeinträchtigt werden. Selbst unsere Infrastruktur müssen wir anpassen, unsere Landwirtschaft, unseren Umweltsektor und alles andere. Anpassung hat also Priorität für uns, weil wir auf ein landwirtschaftlich geprägtes Leben aufbauen. Deswegen sagen wir den Industrieländern: Schauen Sie sich bitte diese Frau auf dem Land an, die einfachste Landwirtschaft betreibt, um ihre Familie zu ernähren. Ihre Priorität ist also, wie sie überleben kann. Wir befinden uns auf der existenziellen Ebene des Überlebens. Es geht um diese Dimensionen von Klimagerechtigkeit, von denen wir uns wünschen, dass sie von unseren Kolleg*innen im Norden beachtet werden.

»Klima­finanzierung ist keine Wohl­tätigkeit für Afrika. Es ist Eure Pflicht.«

Auch ihr im Norden seid betroffen. Wir im Globalen Süden sind aktuell besonders betroffen. Aber auch ihr werdet betroffen sein, und seid es sogar jetzt schon. Die Auswirkungen sind also nicht nur in Afrika zu spüren. Wir müssen wirklich etwas unternehmen und die Emissionen reduzieren. Und ihr habt dafür mehr Kapazität. Schauen Sie sich jetzt den Nordosten Kenias an. Wenn die Menschen, die jetzt im Nordosten festsitzen und nicht erreicht werden konnten, irgendwo in Deutschland festsitzen würden, hätte die Regierung die Mittel, um schnell Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. Das ist bei uns anders. Wir sind aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Ecken Afrikas, aber der Klimawandel wirkt sich bei uns allen auf die ein oder andere Weise heftig aus. Alle haben also eine Verantwortung, die auf unseren Mitteln, auf unserem Kapital und auf unserem Beitrag zu diesem Problem beruht. Deswegen müsst ihr diese Menschen unterstützen, die unter dem Klimawandel leiden, wie die im Nordosten Kenias. Das ist eure Aufgabe. Wir sind alle auf diesem Planeten, und wir müssen dieses Problem wirklich angehen. Die Bürger*innen in Deutschland, in den USA und anderswo sollten das ganz klar verstehen: Wenn Ihr Geld in Klimaschutz steckt, in Klimafinanzierung, ist das keine Wohltätigkeit für Afrika. Es ist Eure Pflicht.

Shownotes zu Klimafinanzierung

  • Panafrican Climate Justice Alliance ist ein Bündnis von mehr als 1.000 Organisationen, primär Basisgruppen, aus 51 afrikanischen Ländern
  • Eine jährliche wissenschaftlich fundierte Bewertung der globalen Fortschritte bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung von Klimaanpassung legt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen vor - der Adaptation Gap Report von 2023 wurde im November veröffentlicht.

Das Gespräch mit Mithika Mwenda führte Antonia Vangelista Ende November 2023 in Nairobi.

Unsere Inhalte sind werbefrei!

Wir machen seit Jahrzehnten unabhängigen Journalismus, kollektiv und kritisch. Unsere Autor*innen schreiben ohne Honorar. Hauptamtliche Redaktion, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit halten den Laden am Laufen.

iz3w unterstützen