Mann fährt Motorrad durch eine überflutete Strasse in China. Die Rechte sieht Überschwemmungen im Ausland nicht als Problem.
Hochwasser in China. Die politische Rechte hierzulande betrachtet das nicht als ihr Problem | Foto: Brandon CC BY-NC 2.0 DEED

»Inakzeptabel hohe Kosten«

Der konservative und rechte Backlash gegen die Energiewende

Rechte Parteien versuchen weltweit, Maßnahmen gegen den Klimaschutz auszubremsen. Die Bewältigung der Klimakrise wird dabei als Agenda einer reichen, abgehobenen Elite dargestellt. Das ist ein Problem für den Klimaschutz und für die politische Kultur.

von Winfried Rust

16.10.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 399
Teil des Dossiers Klimakrise

Immerhin: Es gibt politische Maßnahmen für eine Energiewende. Aber sie stoßen auf ökonomische und politische Widerstände; und gegen sie erfolgen teilweise konservative Rollbacks. So betreibt der britische Premierminister Rishi Sunak eine Aufweichung der bereits beschlossenen Klimaziele seines Landes. Demnach soll das Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren von 2030 auf 2035 verschoben werden. Ebenfalls gebremst werden soll die Umstellung von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen. Der bisherige Kurs Großbritanniens zur Einhaltung der Klimaziele bürde, so Sunak bei einer Rede in der Downing Street, den »hart arbeitende Briten (…) inakzeptabel hohe Kosten« auf.

Überhaupt stoßen Klimaschutzmaßnahmen im sozialliberalen Milieu auf eine größere Akzeptanz, als in kleinbürgerlichen, konservativen oder rechten Milieus. Die Rechtskonservativen lehnen eine neue Lebensweise (mit Ausnahme einer Rechtswende) ab. Nicht zuletzt deshalb sieht man hier die anstehenden Kosten einer Energiewende besonders kritisch.

Den Klimaschutz nicht übertreiben

In Großbritannien hat die Neue Rechte schon mit dem Brexit bewiesen, dass sie mit rechtspopulistischer Stimmungsmache mehrheitsfähig ist. Premierminister und Brexiteer Sunak legt nun nach, die Klimaschützer*innen seien von einem »ideologischen Eifer« ergriffen und agieren »egal was es kostet oder wie sehr das Leben der Menschen beeinträchtigt wird«.

Dabei werden die teils berechtigten Sorgen sozial Schwacher vor einer Energiewende politisch instrumentalisiert. Die ebenfalls euroskeptische Innenministerin Suella Braverman brachte eine Rechtsverordnung durchs Parlament, nach der die Polizei bei Klimaprotesten Verdächtige anlasslos durchsuchen kann. Braverman sagt: »Egoistische Demonstranten stören das tägliche Leben der Menschen im ganzen Land, und das muss gestoppt werden.« Sunak kommentiert, »dass gesetzestreue Bürger vor einer Minderheit geschützt werden, die ihnen ihr Leben madig machen will«.

Donald Trump schwärmte von »schöner sauberer Kohle«

Es gibt Berührungspunkte zwischen der politischen Rechten und den Kapitalfraktionen, die dem fossilen Zeitalter eng verbunden sind. Und es gibt Berührungspunkte zwischen der Rechten und der Bevölkerung, die dem fossilen Zeitalter verbunden ist, ohne explizit rechts zu sein. So etwa in Südafrika, einem der wohlhabendsten Länder des afrikanischen Kontinents. Eine Basis des Wohlstands dort ist die Kohle als Exportgut und Hauptenergieträger im Land. Der südafrikanische Minister für Energie und Bodenschätze Gwede Mantashe sagte bei einer Energiekonferenz in Kapstadt: »Die Kohle wird viele von uns überleben.« Mantashe ist nicht rechts, sondern ökonomisch konservativ. Aber hier liegt eine mögliche Schnittmenge der Rechten mit größeren Teilen der Bevölkerung und konservativen Kapitalfraktionen. Diese Schnittmenge wird propagandistisch zur eigenen Mobilisierung genutzt – etwa indem man Klimaschutzmaßnahmen dämonisiert.

USA, Brasilien und Russland

Ein Blick in die USA zeigt, wie solche Propaganda funktioniert. Ex- Präsident Donald Trump macht sich über die Erderwärmung lustig: »Wir werden ein bisschen mehr Grundstücke am Strand haben, was nicht das Schlechteste auf der Welt ist«, verkündete er im Juli 2022. Während seiner Präsidentschaft war im Juni 2017 die Eröffnung eines Kohle-Bergwerks in Somerset County ein kleines Highlight. Trump bezeichnete die Eröffnung der Acosta-Mine als »ein neues Kapitel in Amerikas langer, stolzer Tradition des Kohlebergbaus«. Er schwärmte von »schöner sauberer Kohle«, und wendete sich gegen den vorgeblichen »Krieg gegen die Kohle« seines Vorgängers Barack Obama.

Trumps Kampfgefährte in Brasilien, der rechtsextreme Ex-Präsident Jair Bolsonaro, pflegt dasselbe Verhältnis zum Umweltschutz: Dieser kümmert ihn nicht, aber gleichzeitig zieht Bolsonaro aus antiökologischen Parolen Kraft. Im Jahr 2022 stellte Greenpeace eine Studie mit einer umweltpolitischen Bilanz der Bolsonaro-Regierung vor. Demnach wäre die Wiederwahl von Bolsonaro für den Klimaschutz verheerend gewesen. Die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds lag während dessen Amtszeit um drei Viertel höher als zuvor. Die Treibhausgas-Emissionen waren mit 2,16 Milliarden Tonnen CO2 auf den Rekordwert des Jahres 2006 gestiegen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wollte Bolsonaro aus dem Pariser Klimaabkommen austreten. Um rechtspopulistische Sprüche war er nie verlegen. Die Umweltschutzbehörden seien »eine Strafzettelindustrie« und Umweltschutz sei etwas für »Leute, die Grünzeug essen«.

2022, so die NGO Global Witness, wurden 177 Umweltschützer*innen getötet, zumeist in Lateinamerika. Natürlich sind die Mörder*innen eher rechts als links eingestellt. Amnesty International zeigte dies etwa bei einer Kampagne zu den zwei ermordeten brasilianischen Umweltschützern Bruno Pereira und Dom Phillips auf. Sie hatten sich für den Umweltschutz und indigene Rechte eingesetzt und wurden am 5. Juni 2022 im Javarí-Tal im Amazonasgebiet ermordet. Zuvor hatten die brasilianischen Behörden stigmatisierende Bemerkungen über Pereira und Phillips gemacht.

Der Dritte im Bunde ist hier der weit rechts stehende Präsident Wladimir Putin von der Russischen Föderation. Früher machte er sich über den Klimawandel lustig: »Eine Erwärmung ist für so ein kaltes Land wie Russland vielleicht gar nicht schlecht, dann muss man weniger Geld für Pelzmäntel ausgeben.« Im Jahr 2021 blieb Putin der UN-Klimakonferenz in Glasgow fern, wenn auch mit den besten Wünschen. Russlands Wirtschaft und Staatsbudget sind von der Gas- und Ölförderung abhängig. Ein Exportschlager ist Steinkohle, nicht zuletzt nach Indien und China. Klimapolitisch ist Russland als fossile Großmacht an Wandel desinteressiert. Umweltaktivist*innen erfahren in Russland staatliche Repression und Verfolgung.

Auch in Westeuropa steht die politische Rechte bei der Energiewende auf der Bremse und mobilisiert gegen den Klimaschutz. Die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen sagte im Wahlkampf 2022, dass »die Windkraft eine ökologische und wirtschaftliche Absurdität ist«. Sie versprach ein Referendum über den Abbau von Windkraftanlagen. Man will am bisherigen Lebenswandel festhalten und die Bevölkerung nicht überfordern.

Die Chefs der neuen rechtsextremen Regierung Italiens, Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia und Matteo Salvini von der Lega, sind in ihrer Abscheu gegenüber dem Umweltschutz vereint. Vizepremier Salvini begründet die Opposition Italiens gegen das Aus für Verbrennungsmotoren in der Europäischen Union kulturell: »Zwei Grundwerte der Italiener wie das Haus und das Auto dürfen nicht im Namen der Nachhaltigkeit aufs Spiel gesetzt werden.« Meloni tut die beiden diesjährigen Überschwemmungskatastrophen in Emilia-Romagna als »verheerendes Wetterphänomen« ab. Zurzeit besetzen die Rechtsextremen staatliche Institutionen und Firmen neu. Beim Stromkonzern Enel musste der Solarenergie-pushende Erneuerer Francesco Starace gehen. Seinen Platz nahm der 76-jährige Anhänger fossiler Energien und Wladimir Putins, Paolo Scaroni ein.

Unterm Heiz-Hammer

In Deutschland eskalierte der klimapolitische Kulturkampf in diesem Jahr bei der Debatte um die Neuregelungen des Gebäudeenergiegesetzes der Ampelkoalition. Auf einer Demo unter dem Motto »Stoppt die Heizungsideologie« am 10. Juni 2023 in Erding behauptete Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, dieses Heizungsgesetz sei eine »Enteignung durch die Hintertür«. Aiwanger rief unter Jubelrufen, dass »die große schweigende Mehrheit des Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss!« Im bayerischen Wahlkampf 2023 sehen sich die Grünen derweil »Aggressionen, Anfeindungen und Attacken« ausgesetzt, wie der Tagesspiegel titelt.

Bei der Kampagne zum Gebäudeenergiegesetz tat sich die Bild-Zeitung hervor. Sie dämonisierte das kommende Heizungsgesetz in sehr vielen Schlagzeilen als »Heiz-Hammer«, wie etwa: »Habecks Heiz-Hammer würde uns 590 000 Euro kosten« oder »So streng ist der Heiz-Hammer wirklich«. Im September kam die Gesetzesänderung mit Abstrichen und einer erneut lädierten politischen Kultur durch den Bundestag.

Es gibt also einen relevanten rechten Diskurs gegen Klimaschutzmaßnahmen. Die Neue Rechte vor allem der Industrie- und Schwellenländer profiliert sich als Bollwerk der althergebrachten Verhältnisse und Lebensweise. Beim Thema Klimagerechtigkeit ist der Standpunkt: Wir sind nicht der Zahlmeister der Welt. Der AfD-Abgeordnete und Klimaskeptiker Steffen Kotré argumentiert im September 2022 im Bundestag: »Die Bundesregierung und die Grünen führen uns im Sturzflug in die Energiekrise, ziehen uns das Geld aus der Tasche und bringen Mittelstand und Handwerk in Existenznöte.« Aber anstatt sich der Belange der sozial Schwachen anzunehmen, spalten die Rechten die Gesellschaft. Beim diesjährigen Landtagswahlkampf in Hessen plakatiert die AfD: »Wir schützen Sie und Ihr Eigentum vor den Grünen«. So steht die Neue Rechte umweltpolitisch auf der Bremse, verschärft die Klimakrise und beutet sie propagandistisch aus. Das Schlimme ist, dass sie damit Erfolg haben kann.

Winfried Rust ist Mitarbeiter im iz3w.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 399 Heft bestellen
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