Sex und Trauma im Paradies
Rezensiert von Patrick Helber
17.08.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 398
Teil des Dossiers Feministische Kämpfe
Der Roman der nonbinären Nigerianer*in Akwaeke Emezi Du bist so schön, sogar der Tod erblasst erzählt eine teils märchenhaft anmutende Liebesgeschichte, die die aufstrebende New Yorker Künstlerin Feyi auf einer nicht näher spezifizierten Karibikinsel gemeinsam mit ausschließlich Schwarzen und meist queeren Protagonist*innen erlebt. Die junge Frau aus einer US-nigerianischen Akademikerfamilie hat sich nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Ehemanns lange Zeit aus dem Leben zurückgezogen. Ermutigt durch ihre beste Freundin folgt sie spontan der Einladung ihrer Bekanntschaft Nasir in dessen karibisches Zuhause. Dieses entpuppt sich als durchaus stereotypes Inselparadies, wo Nasirs attraktiver Vater Alim, ein berühmter und steinreicher Fernsehkoch, in einem riesigen Luxusanwesen auf einem Berg lebt. Anstatt der durch Versklavung, Rassismus und Kolonialismus traumatisierten, scharf in Klassen gespaltenen und von Gewalt geprägten karibischen Gesellschaft herrschen hier auf der Insel Harmonie, Überfluss, großes Interesse an Schwarzer afrodiasporischer Kunst und eine überbordende Flora und Fauna.
Individuelle Traumata spielen in dieser Märchenwelt eine wichtige Rolle. Zwischen Feyi und Alim, welcher auf die Bekanntschaft seines Sohnes sofort eine Anziehung ausübt, entsteht nach kurzer Zeit eine erotische Verbindung. Den Kitt für diese anfangs verbotene Liebe bilden die geteilte Erfahrung vom Tod eines geliebten Menschen und das Leben mit dem Schmerz. Alim hat seine Ehefrau verloren und sieht in der viel jüngeren Feyi endlich einen Weg zurück, Liebe zu erfahren, auch wenn er dadurch seinen Sohn verletzt. Auch Feyi fühlt sich von Alim verstanden. Ihre Auseinandersetzung mit Verlust und Trauer ermöglichen ihr zudem eine Geschäftsbeziehung zur Kunstsammlerin Pooja, die sich für Feyis Kunst interessiert und Feyi fördert, weil sie selbst eine Tochter verloren hat.
Was größtenteils wie eine kitschige Nollywood-Liebesgeschichte anmutet, gewinnt Stärke aus den Konversationen der Protagonist*innen über Verlust, Schmerz und ihre Gefühle füreinander. Anstatt des erwarteten Dramas, das durch die tabuisierte Beziehung zwischen Feyi und Alim zuerst angedeutet wird, zeigt Akwaeke Emezi, wie Menschen zu ihren Bedürfnissen stehen können. Sie akzeptieren, dass sie damit manchmal anderen geliebten Menschen Schmerzen zufügen. Aber es zeigt sich, dass sie trotzdem ehrlich und sensibel in die Kommunikation gehen können. Auch beim Thema Sexualität zeigen Emezis Protagonist*innen einen stets wertschätzenden Umgang mit Konsens, Verhütung, STDI-Tests, Vasektomie oder queerem Begehren anstatt diese Themen, wie oft in einer heteropatriarchalen Gesellschaft, zu ignorieren, zu vermeiden oder zu bekämpfen. So kann durch die Trauer- und Beziehungsarbeit, welche die Protagonist*innen miteinander bewältigen, Verletzlichkeit überwunden und ein Stück Heilung erfahren werden.