Eine Menschenmenge protestiert gegen Wasserknappheit in Makhanda vor einer Kirche
Proteste gegen die mangelhafte Infrastruktur in Makhanda, Februar 2023 | Fotos: Jeannine-Madeleine Fischer

Leere Tanks und leere Versprechen

Die Wasserkrise in Makhanda

In der südafrika­nischen Provinz Eastern Cape herrscht chronische Wasser­knappheit. Wegen Korruption und ungleicher Einkommens­verhältnisse leiden darunter besonders die Bewohner­*innen der Townships und informellen Siedlungen. Aktivist­*innen wehren sich dagegen, doch die Bedingungen sind schwierig. Ein Besuch in Makhanda.

von Jeannine-Madeleine Fischer

19.05.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 396

Es ist ein sonniger Tag Mitte März 2023 in Makhanda, der mit rund 50.000 Einwohner*innen größten Stadt in der Kommune Makana im Eastern Cape. Die Provinz ist Geburtsstätte bekannter Anti-Apartheid-Kämpfer wie Nelson Mandela, Steve Biko und Chris Hani. Heute verbindet man vor allem Armut und Aussichtslosigkeit mit dem Eastern Cape, das unter allen südafrikanischen Provinzen den niedrigsten Wohlstandsindex aufweist. Ich bin mit Ayanda Kota und Sipho Maboza vom Unemployed People’s Movement (UPM) unterwegs. UPM ist eine aktivistische Graswurzelorganisation, die sich 2009 in Makhanda gegründet hat, um die fatalen Lebensumstände in lokalen Townships und ‚informellen Siedlungen‘* zu verbessern. Wir fahren gerade zum UPM-Büro in die Stadt, als die Straße von regelrecht sprudelndem Wasser geflutet wird. Eine Leckage – leider keine Seltenheit in dem seit Jahren unter Wasserknappheit leidenden Makhanda. Wir halten sofort an, um den Schaden zu dokumentieren und dem Bürgermeisteramt zu melden. Es handelt sich eindeutig um Frischwasser. Sipho, durch dessen Wasserhahn seit vier Monaten kein einziger Tropfen geflossen ist, schüttelt verständnislos den Kopf und taucht seine Finger in das saubere Wasser, das hier verschwenderisch den Hang hinunterströmt.

Laut offiziellen Anga­ben wird das Wasser für alle Haus­halte jeden zweiten Tag abgestellt

In Makhanda kommt es immer wieder zu Rohrbrüchen, natürlich auch von Abwasserleitungen. Die kaum gewarteten Wasserrohre sind über die Jahre brüchig geworden. Das ständige An- und Ausschalten der Wasserversorgung, über welches die Verteilung des knappen Guts reguliert werden soll, trägt durch die Druckunterschiede zur weiteren Abnutzung der Rohre bei. Die Stadtverwaltung argumentiert, dass diese Probleme mit einer Überlastung durch das Bevölkerungswachstum in Makhanda zusammenhingen. Für die Anwohner*innen ist das keine ausreichende Erklärung. Sipho erzählt, dass die Townships regelmäßig von Abwasser überschwemmt werden: »Wenn das in der Stadt passiert, sind sie schnell zur Stelle. Aber wenn es im Township zu einem Abwassereinbruch kommt, finden sie irgendwelche Ausreden. Es ist ihnen egal. Wir sind ihnen egal.« Manchmal sieht er die Nachbarskinder im Dreck spielen und er hat alle Mühe, sie von den krankmachenden Fäkalien fernzuhalten. Er seufzt: »Das Problem mit dem Abwasser bringt uns noch um.« In Siphos Nachbarschaft, der C-Street im stadtnahen Township Fingo, fließt seit Dezember überhaupt kein Wasser mehr. Die Nachbar*innen sind auf die lokale Taverne angewiesen, die ihre Reserven aus dem Wassertank mit der Gemeinschaft teilt.

Wasser und Korruption

In den letzten Tagen ist viel Regen in Makhanda gefallen – das ist im Eastern Cape nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Die verheerende, mehrjährige Dürre trocknete 2019 zwei Wasserreservoirs aus, Settlers Dam and Howiesons Poort, die bislang das westliche Stadtgebiet versorgten. Über die James Kleynhans Treatment Works, die für die Wasserversorgung des östlichen Makhanda zuständig waren, musste nun Trinkwasser für das gesamte Stadtgebiet bereitgestellt werden. Schon vor rund zehn Jahren fiel die Entscheidung, die James Kleynhans Treatment Works zu modernisieren, um die Kapazität zur Wasseraufbereitung von zehn auf 20 Megaliter pro Tag zu erhöhen. Seitdem wurden um die 600 Millionen südafrikanische Rand, also über dreißig Millionen Euro, in die Erneuerungsarbeiten investiert. Die Fertigstellung, die ursprünglich für 2017 geplant war, wird immer wieder verschoben; die letzte Frist ist erst kürzlich mit dem Versprechen verstrichen, die Arbeiten bis Dezember 2023 abzuschließen. Im Juni 2022 ging die Firma Mamlambo Construction Company, die von der Kommune für die Modernisierung unter Vertrag genommen wurde, pleite. Wie weit die Arbeiten inzwischen fortgeschritten sind und was genau umgebaut werden muss, ist der Öffentlichkeit auch auf Nachfragen kaum zugänglich. Es wird sogar vermutet, dass die Anzahl der Pumpen in den Wasseraufbereitungsanlagen in den letzten Jahren reduziert statt erweitert wurde. Bürgerinitiativen gehen von einem Korruptionsskandal aus und versuchen derzeit, den Hintergründen auf den Grund zu gehen.

Inzwischen können zwar wieder beide Wasseraufbereitungsanlagen genutzt werden, doch sie decken den städtischen Bedarf bei weitem nicht ab – nicht, weil quantitativ zu wenig Wasser zur Verfügung stünde, sondern weil die notwendige Infrastruktur über Jahre hinweg nicht instandgehalten wurde und die Aufbereitung nicht bewältigen kann. Sipho ist verärgert: »Wir sehen doch, dass wir genügend Wasser haben. Dieses Jahr haben wir einen guten Regen.«

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Doch es ist nicht nur die mangelnde Wasserversorgung, die den Bewohner*innen zusetzt, sondern auch die Wasserqualität. 2018 machte Makhanda skandalöse Schlagzeilen: der Abwasserentsorgungs- und Wasserversorgungsdienstleister Amatola Water zog sich zurück, weil die Kommune Makana Schulden in Höhe von 40 Millionen Rand (2 Millionen Euro) nicht beglichen hat. Nun fehlte vor Ort die Expertise für den Kauf und die Verwaltung zur Aufbereitung notwendiger Chemikalien. Es liegt nahe, dass der finanzielle Notstand durch Korruption zustande kam. Da aus Geldmangel kein Chlorin besorgt werden konnte, versuchten sich die Angestellten stattdessen mit Schwimmbadtabletten an einer Verlegenheitslösung, ohne das Ministerium für Wasserwirtschaft zu alarmieren. Die Folge: das Leitungswasser war mit einer hohen Konzentration an E. coli-Bakterien kontaminiert. Die Bewohner*innen wurden zu spät und unzureichend über die damit einhergehende Gesundheitsgefährdung informiert. In einer Protestaktion brachte Ayanda mit weiteren Mitgliedern von UPM Eimer voller verschmutztem Leitungswasser zu einer öffentlichen Anhörung. Laut offiziellem Bericht liegt Makhandas Leitungswasserqualität bis heute in der »roten Zone«. Manchmal sind Kontaminationen mit dem bloßen Auge sichtbar, wenn weißes oder blaues Wasser aus dem Hahn läuft. Eine Situation, die vor allem für Ältere, Kinder und Immunsupprimierte gefährlich bleibt – und das in der Provinz, die landesweit die zweithöchste Rate an HIV-Infektionen aufweist.

Folgenloser Erfolg

Im Jahr 2019 zog UPM unter der Leitung von Ayanda schließlich gegen die Kommune Makana vor Gericht und zeigte die Gemeinde wegen staatsgefährdender Kriminalität an. Der Zugang zu Wasser und funktionierender Infrastruktur sei ein Menschenrecht, betont Ayanda. In einem historischen Urteil – und dem ersten seiner Art in Südafrika – gab das Verfassungsgericht der Klage 2020 Recht und verfügte die Auflösung des Kommunalrates und die Bestellung einer Übergangsverwaltung. Drei Jahre nach diesem vielversprechenden Urteil bleiben die Wasserleitungen in vielen Wohngebieten noch immer trocken. Nach offiziellen Angaben wird das Wasser für alle Haushalte jeden zweiten Tag abgestellt – damit solle eine faire Verteilung der knappen Wassermengen gewährleistet werden. Tatsächlich ist die Versorgung aber weitaus prekärer: manche Wohnorte verfügen nur zwei Tage pro Woche über Wasser oder werden sogar Monate lang gar nicht versorgt. Während verschiedene Interessensgruppen dafür plädieren, angesichts der enormen Arbeitslosigkeit zumindest das Stadtzentrum durchgehend mit Wasser zu versorgen, um die lokalen Geschäfte zu bewahren, verweist Sipho auf ein grundlegendes Problem: Die Townships sind infrastrukturell und ökonomisch immens benachteiligt. Dass ausgerechnet hier die Leitungen monatelang trocken bleiben, wundert ihn nicht. Er senkt den Kopf: »Ich habe nicht die geringste Hoffnung, dass sich zu meinen Lebzeiten noch irgendetwas daran ändern wird.«

Wer es sich leisten kann, organisiert sich privat einen Wassertank. In der Stadt verfügen die meisten Einfamilienhäuser, die von – zumeist weißen – Gutverdiener*innen bewohnt werden, über einen eigenen Tank. In den Townships, in welchen große Teile der Schwarzen* Bevölkerung leben, gibt es oft nur einen einzigen für die gesamte Nachbarschaft. Die Stadtverwaltung füllt die Tanks dort nur sporadisch auf; in manchen Townships ist das schon seit einem Jahr nicht mehr geschehen. Doch selbst ein voller Tank reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf der dort wohnenden Familien zu decken. Für Ayanda ist das ein Symptom des fundamentalen Problems Südafrikas: Das Versprechen von Gleichheit und Gerechtigkeit aus dem Jahr 1994 von der sogenannten Befreiung aus dem brutalen Apartheidregime wurde in den vergangenen 29 Jahren noch immer nicht eingelöst.

Jeannine-Madeleine Fischer arbeitet als Anthropologin an der Universität Konstanz und forscht zu studentischem und ästhetischem Aktivismus in Südafrika.

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