Trotz alledem publik

Wer schaut Regierungen auf die Finger, deckt Machenschaften von Konzernen auf, berichtet über Menschenrechtsverletzungen oder Proteste? Eine kritische und unabhängige Publizistik! Was wäre die Welt ohne sie.

Im Apartheid-Südafrika der 1950er-Jahre tat das zum Beispiel die Zeitschrift Drum. Der Investigativjournalist Henry Nxumalo schrieb darin etwa über sklavereiähnliche Arbeitsbedingungen auf südafrikanischen Kartoffelplantagen. Diese Zeitschrift sei laut Anti-Apartheidskämpfer Nelson Mandela damals die einzige gewesen, »die über unseren Kampf, unsere politischen Ziele ausführlich und fair berichtet hat«. Publikationen wie die Drum wurden auch in anderen afrikanischen Kolonien produziert und waren zentraler Teil der Unabhängigkeitskämpfe der 1950er- und 60er-Jahre.

Presse­freiheit muss ständig er­rungen oder ver­teidigt werden

Sehr zum Ärger der Kolonialmächte. Eigentlich trieben sie selbst die Einführung von Massenmedien in den 1950er- Jahren nicht zuletzt für ihre koloniale Propaganda voran. Doch je weiter die Verbreitung der Medien voranschritt, umso unkontrollierbarer wurden sie. Über im Exil produzierte und eingeschmuggelte Plakate, Flugblätter, Broschüren, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Radiosendungen breitete sich die antikoloniale Mobilisierung in Afrika wie ein Lauffeuer aus.

Mit jedem Land, das die Unabhängigkeit erlangte, stieg für die anderen der Freiraum für die Herstellung ihrer Gegenöffentlichkeit. Allerspätestens mit der Unabhängigkeit musste eine wirklich kritische Publizistik sich allerdings neu orientieren: Es ist nicht der Job der Kritik, die (neue) Macht wohlwollend zu begleiten.

Heute trifft die »Ausbreitung im Lauffeuer« eher auf die massenhaften Fake News zu, die im Netz kursieren. Sie werden von den Algorithmen bevorzugt, Aufklärung und kritische Informationen haben es dagegen schwer. Doch die bahnen sich trotzdem ihren Weg. Selbst, wenn autoritäre Regime ganze Online-Plattformen sperren. Zur kritischen Öffentlichkeit tragen weltweit viele Menschen bei: Neben den professionellen Journalist*innen sind es etwa Passant*innen, die zufällig ein Geschehen filmen und ins Netz hochladen; Aktivist*innen, die Flugblätter verfassen; Druckerei-Mitarbeiter*innen, oder einfache Social Media-User*innen, die ein Protestvideo teilen. Die Kehrseite davon ist, dass viele Beteiligte einen hohen Preis dafür zahlen müssen, bis hin zu Inhaftierung, Gewalt und Tod.

Diesen Preis musste auch der Drum-Journalist Henry Nxumalo zahlen. 1957 wurde er bei einer investigativen Recherche von Unbekannten ermordet. Er war einem Johannesburger Arzt auf der Spur, der in einen Abtreibungsskandal verwickelt war. Ähnlich erging es der Journalistin Gulîstan Tara, die auf unserem Titelbild zu sehen ist, und ihrer Kollegin Hêro Bahadîn (siehe »Ein Akt von Staats­terrorismus«). Die beiden Journalistinnen waren am 23. August 2024 im irakischen Teil Kurdistans unterwegs, als eine türkische Drohne das Feuer auf sie eröffnete. Beide verbrannten noch vor Ort in ihrem Wagen.

Die Repression zeigt auch auf die Sprengkraft, die der kritischen Berichterstattung innewohnen kann. Manchmal reicht eine einzige Information, um ein Lauffeuer auszulösen. Das zeigt der Fall der Ermordung von Jina Mahsa Amini in Iran, dessen Veröffentlichung eine landesweite Revolte zur Folge hatte Posts und Raketen.

In der iz3w-Redaktion haben wir lediglich Probleme finanzieller Natur, mit der Situation von Redakteur*innen und Journalist*innen in Afghanistan (Ein Hochrisiko-Umfeld), Russland (Zwischen­töne sind selten) oder Kolumbien (»Das Problem liegt tiefer«) ist das nicht vergleichbar. Wie schnell die Pressefreiheit in Deutschland jedoch wackelt, zeigte der Fall des Radio-Dreyeckland-Redakteurs Fabian Kienert. Wegen eines Internetlinks in einem journalistischen Beitrag wurde er wegen der Fortführung einer verbotenen Vereinigung vor Gericht gebracht (Gegen­öffentlich­keit gegen was?). Der Grat wird wieder schmaler. Pressefreiheit muss ständig errungen oder verteidigt werden. Es gilt: Was eine*n trifft, trifft uns alle. Wo die Presse- und Meinungsfreiheit oder das Leben von Medienschaffenden angegriffen wird und dies ungeahndet bleibt, ist der nächste Angriff nicht weit.

Immerhin ist die kritische Öffentlichkeit, trotz der vielfältigen Probleme von der Medienkrise bis zur Repression, nirgendwo totzukriegen. Sie bahnt sich irgendwie ihren Weg. Diejenigen, die dafür sorgen, benötigen damals wie heute unsere Solidarität.

die redaktion,17.12.2024

 

PS: Zur Bebilderung des Dossiers: Der (kritische) Journalismus verändert sich mit den Technologien. Vom Buchdruck über den Hektografen zum Smartphone – die Geschichte der Vervielfältigungstechnologie ist auch eine Geschichte der Demokratisierung der Publizistik. Doch sie stürzt sie auch in Krisen: Fake News verbreiten sich rasend schnell über das Internet, Social Media Plattformen sind ein Inkubator für toxischen Kram, der Niedergang der Printpublikationen gefährdet die Debatten-kultur – und uns. Dafür wird in Redaktionen nicht mehr so viel geraucht.

Und wir bleiben optimistisch – trotz alledem!

die redaktion

 

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Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 406 Heft bestellen
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