Das Beste aus zwei Welten
Rezensiert von Katharina Forster
26.06.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 397
»Papa, warum weiß ich eigentlich so wenig über die Geschichte unserer Familie?« – »Weil du nie danach gefragt hast.« So beginnt Mona Ameziane eine Reise nach Marokko: Gemeinsam mit ihrem Vater bricht sie auf, um in das abgelegene Dorf ihrer Großmutter zu fahren, das selbst über Online-Karten kaum zu finden ist.
Ihre Kindheit verbrachte die Tochter einer deutschen Mutter und eines marokkanischen Vaters im Ruhrgebiet. Doch immer wieder führten sie Besuche nach Marokko. In Auf Basidis Dach. Über Herkunft, Marokko und meine halbe Familie nimmt uns die Autorin in mehreren Episoden mit an ihre Erinnerungsorte im Heimatland ihres Vaters.
So erfahren wir zum Beispiel, wie sie als Austauschschülerin in Agadir das Leben einer privilegierten marokkanischen Oberschicht kennenlernt. Auch auf der Reise mit ihrem Vater erlebt sie viele Geschichten, die oft von Offenheit, manchmal aber auch von Ablehnung zeugen: Einmal werden die beiden Reisenden von einem Taxifahrer spontan zum Mittagessen mit seiner Familie eingeladen. Ein anderes Mal soll Ameziane auf dem Markt in Fès mehr Geld für Ihren Einkauf zahlen, nur, weil sie nicht aus Marokko kommt.
Was bedeutet es, »mehrere Heimaten« zu haben? Wenn sie in der deutschen Öffentlichkeit eine stereotype und negativ geprägte Berichterstattung über Marokko erlebt, möchte Ameziane Gegenargumente zu finden, um das Land und seine Menschen zu verteidigen. Gleichzeitig fühlt sie sich in verschiedenen Situationen »nicht marokkanisch genug«: Zum Beispiel, als es ihr nicht gelingt, beim Opferfest beim Häuten der geschlachteten Schafe zu helfen. Die Autorin thematisiert auch Rassismuserfahrungen in Deutschland.
Was bedeutet es, »mehrere Heimaten« zu haben?
Insgesamt wird deutlich: Die Frage der Zugehörigkeit ist (natürlich) sehr komplex. Sie muss aus Amezianes Sicht aber weder endgültig geklärt sein, noch sich nur auf einen Ort oder ein Zuhause beschränken. Vielmehr ist es für Mona Ameziane ein Gewinn, »mehrere Heimaten« in sich zu tragen: Sie vereint in sich das Beste aus zwei Welten. Unterstrichen wird dies auch durch ihre weitgehend unbeschwerte Sprache und ihre witzige, episodenhafte Erzählweise, die ihrer Geschichte nahezu den Duktus sozialer Medien verleiht. Wer eine Stellungnahme zu aktuellen politischen Debatten rund um Migration erwartet, wird enttäuscht sein. Darum geht es in diesem Buch nicht. Trotzdem wünscht man sich an manchen Stellen, dass Ameziane weiter in die Tiefe geht und beispielsweise mehr erzählt von ihrer Mutter und ihrem Aufwachsen in Deutschland: All das Komplexe, was Zugehörigkeit und ein Zuhause eben auch ausmachen.