Foto einer Protestaktion der Geflüchteten-Community auf dem Buchcover »Endlich in Sicherheit« von Becker und Kranemann

»Keine Sicherheit«

Rezensiert von Christoph Panzer

01.05.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 396

Wer vor Krieg, Gewalt oder politischer Verfolgung flieht, hofft wenigstens nach der Ankunft in Europa in Sicherheit zu sein. Spätestens die rechtliche Anerkennung von Fluchtgründen im Asylverfahren »wird (…) von Geflüchteten berechtigterweise als ein Versprechen verstanden: Die Gefährdungslage im Herkunftsland wurde geprüft und (…) in der BRD seien Schutzsuchende nun sicher.« Die Autor*innen des Bandes Endlich in Sicherheit? betrachten demgegenüber die Gefahren, denen Geflüchtete auch nach ihrer Ankunft in Deutschland durch »transnationale Netze« ausgesetzt sind. Ein bewusst breit gefasstes Konzept, unter dem die Herausgeber*innen auch explizit nichtstaatliche und nicht formal organisierte Strukturen einschließen. Thematisiert wird so etwa die Situation Geflüchteter aus Eritrea, die wegen Verwaltungsakten in Deutschland zur Kooperation mit eritreischen Behörden gezwungen sind und zusätzlich über informelle Netzwerke in der Diaspora überwacht werden. Auch die Bedrohung durch die Geheimdienste der Herkunftsstaaten, etwa im Falle Irans, und deren Verbindungen in Deutschland werden betrachtet.

Thema­tisiert wird etwa die Situation Geflüchteter aus Eritrea

Auch wenn nicht immer direkt nachvollziehbar ist, ob sich derart unterschiedliche Phänomene auf einen gemeinsamen Begriff bringen lassen: Die Breite ist dem Vorhaben des Bandes angemessen. Die gründlich recherchierten Texte leisten eine deutliche Kritik an den beschriebenen Verhältnissen. In acht Interviews kommen Geflüchtete selbst zu Wort und sprechen über ihre Erfahrungen, Probleme ihrer Communities und ihre politischen Forderungen. Im letzten Teil des Buchs adressieren Becker und Kranemann ganz direkt mögliche und nötige Veränderungen des Asylverfahrens, etwa ein Ende der Lagerunterbringung oder des Zwangs zur Passbeschaffung für subsidiär Schutzberechtigte.

Endlich in Sicherheit? ist in dieser Kombination weit mehr als die Sammlung von besonders problematischen Fallbeispielen. Den Herausgeber*innen, Autor*innen und Gesprächspartner*innen gelingt eine zugängliche Übersicht über die konkreten Bedrohungen und sie sensibilisieren für das weiterhin aktuelle Problem, dass etwa politische oder religiöse Verfolgung sich auch über Landesgrenzen hinweg fortsetzt. Auch wenn die Herausgeber*innen für die Verwirklichung notwendiger Veränderungen einen eher ernüchternden Ausblick bieten, ist der Band eine sehr hilfreiche Ressource für alle, die Geflüchtete in ihrem Kampf darum unterstützen wollen, endlich in Sicherheit leben zu können.

Randi Becker, Philipp Wilhelm Kranemann (Hg.): Endlich in Sicherheit. Bedrohung von Geflüchteten in Deutschland durch transnationale Netzwerke. Netzwerk für politische Bildung, Gießen 2022. 286 Seiten, 16 Euro.

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