Ein Horrorfilm über Identitätsfragen
Auf Monsterjagd: Hauptdarstellerin Megan Suri als Samidha in »It lives inside« | © Pierrot LeFou / It Lives Inside

Das Integrations-Monster

Ein Horrorfilm über Identitätsfragen

Rezensiert von Katrin Dietrich

11.12.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 400

rezensiert von Katrin Dietrich

11.12.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 400

Samidha (Megan Suri), genannt Sam, scheint eine typische Teenagerin zu sein: Sie geht auf die Highschool, ist in ihren Mitschüler verliebt und möchte auf Partys möglichst cool wirken. Wäre da nicht die indische Herkunft ihrer Eltern, auf die sie immer wieder und auf stereotype Weise angesprochen wird. Zuhause pflegt die Mutter Poorna (Neeru Bajwa) die religiösen Rituale und wirft der Tochter vor, ihre Kultur und Sprache zu verleugnen. Sam ist genervt – und befindet sich im klassischen Konflikt zwischen unterschiedlichen kulturellen und generationellen Identitäten, zwischen Anpassung und dem Ausbrechen aus familiären Traditionen.

Ein Monster ernährt sich von den Ängsten der migrantischen Kinder

Der Horror in dem Spielfilmdebüt »It lives inside« von Regisseur Bisha Duttal entspinnt sich entlang dieser Verunsicherung. Wie kann sich Sam integrieren, ohne ihre indische Herkunft zu verleugnen? Ein für das Genre origineller Ansatz, der filmtechnisch solide umgesetzt wird. Ein Monster ernährt sich von den Ängsten der migrantischen Kinder und frisst peu à peu ihre Seelen auf. Sam muss das Monster besiegen und dabei auch auf hinduistische Mythologie zurückgreifen. Zu Hilfe kommt ihr die konservative Mutter – obwohl diese in einer Szene selbst zum Horrorwesen mutiert, das Sam durch die Wohnung jagt. Leider begeht der Film den Fehler, das Monster in seiner vollen und recht albernen Pracht zu zeigen. Hier wären subtile Andeutungen, die der Fantasie Raum lassen, für den Grusel-Effekt besser gewesen.

Bisha Duttal migrierte selbst im Alter von vier Jahren mit seiner Familie von Indien in die USA – der Film erzählt ein Stück weit seine eigene Geschichte und von den Schwierigkeiten, sich zwischen zwei Welten zu bewegen. Dabei sei sein Film auch vom Werk der bulgarisch-französischen Philosophin Julia Kristeva inspiriert, wie Duttal in einem Interview erzählt. Kristeva beschäftigte sich in ihrer Theorie der Abjektion mit der Faszination an ekelerregenden Phänomenen, die uns einerseits abstoßen, von denen wir uns andererseits nicht lösen können. Dieses Spannungsfeld kann laut Kristeva in allen Identitätskrisen hervortreten.

Um ein ‚normaler‘ US-Teenager zu sein, muss sich Sam von ihrer indischen Familie abgrenzen, doch wird sie ihre kulturelle Herkunft niemals ganz los. Und so kann auch das Intergrations-Monster im Film nicht vollständig besiegt werden: Im Innern lebt es fort. »It lives inside« bietet über weite Strecken unterhaltsamen Horror – an einen Film wie »Get Out« (2017) von Jordan Peele reicht er jedoch nicht heran.

»It lives inside«, USA 2023, Regie: Bisha Duttal

Katrin Dietrich arbeitet im iz3w.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 400 Heft bestellen
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