Die Lichter einer Tankstell von TotalEnergies in Gundelfingen bei Nacht
Total petrol station in Gundelfingen bei Freiburg | Foto: Mondo79 CC BY 2.0 Deed

Schwarzes Gold aus Ostafrika

Der Bau der Rohölpipeline EACOP steht kurz bevor

Uganda leidet unter dem Mangel an Kapital, Industrie, Energie – und findet Öl. Im April ist offiziell Baustart einer Ölpipeline vom Albertsee zur Küste des Indischen Ozeans in Tansania. Davon erhofft sich die Regierung den Aufstieg vom Agrarland zum Petro-State.

von Martina Backes

29.04.2024
Veröffentlicht im iz3w-Heft 402
Teil des Dossiers Klimakrise in der Pipeline

Wie wahrscheinlich ist es, dass an deutschen Total-Tankstellen bald Treibstoff aus ostafrikanischem Erdöl vom Albertgraben gezapft wird, einem Hotspot biologischer Vielfalt und bedeutender Wasserreserven?

Dank der Ölförderprogramme ostafrikanischer Länder zur »inklusiven Klima- und Energiegerechtigkeit« ist das bald möglich. Diesen Monat soll der Bau der Ostafrikanischen Rohölpipeline starten. Sie soll ab 2025 Rohöl aus dem Albertsee (Uganda/DR Kongo) über 1.443 Kilometer durch Uganda bis nach Tanga in Tansania am Indischen Ozean pumpen. Von dort soll das Rohöl auf den Weltmarkt verschifft werden. Weil es dickflüssig ist, muss die Pipeline beheizt werden. Der französische Konzern Total Energies hält 62 Prozent an der East African Crude Oil Pipeline (EACOP)*. Total Energies ist auch in Deutschland ein führender Energielieferant.

Die Regierung Ugandas verfolgt seit 2017 mit der EACOP den Bau einer »mittelgroßen Kohlenstoffbombe«

Tansania und Uganda wollen sich von Agrarländern weiter in Richtung Petro-Staaten entwickeln. Der Begriff der »inklusiven Energiestrategie« ist dabei zentral. Auf dem letzten Weltklimagipfel 2023 in Dubai wurde die inklusive Energiestrategie beim Ringen um eine gerechte Energiewende ein Schlüsselbegriff. Sie soll die historischen Klimaschulden der Industriestaaten gegenüber dem wachsenden Energiebedarf stark unterversorgter Bevölkerungen ausgleichen.

Vor allem jene Staaten setzen auf die inklusive Energiestrategie, die sich von der Nutzung ihrer lokalen fossilen Energiereserven mehr Energiesicherheit, profitable Einkommen und Entwicklung erhoffen. Dazu gehören etwa in Ostafrika mit der DR Kongo, Uganda und Tansania drei Länder mit ungenutzten Gas- und Ölvorkommen.

Im Jahr 2006 wurden im Albertgraben auf beiden Seiten der Grenze zwischen Uganda und der DR Kongo Erdöl und seit 1978 vor der Küste Tansanias im Indischen Ozean kontinuierlich Öl- und Gasfelder gefunden. Seitdem arbeiten diese Länder an der Erschließung der fossilen Quellen.

Anything goes

Auch das ugandische Ministerium für Energie und Mineralienentwicklung hebt in seinem Energiebericht von Dezember 2023 den Begriff der inklusiven Energiestrategie hervor. Inklusiv meint hier, alle Möglichkeiten der Energiegewinnung und deren Finanzierung in Betracht zu ziehen: Grünes Kapital für grünes Biogas, Entwicklungsgelder für eine dezentrale Energieversorgung, Banken- und Investorenkapital für das schwarze Gold und Erdgas.

Auf der Konferenz für Erneuerbare Energie in Kampala, zu der die ugandische Regierung im November 2023 geladen hatte, bekräftigte der stellvertretende Leiter der EU-Delegation in Uganda, Guillaume Chartrain, »das Engagement der EU an der Seite Ugandas auf dem Weg zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen«*. Von elektrischen Taximotorrädern bis hin zu energieeffizienten Initiativen prüfe die EU alle Möglichkeiten, um einen ‚grünen‘ Wandel in Uganda zu erleichtern.

Heute ist China an der Ostafri­kanischen Rohöl-Pipeline mehrfach beteiligt

Erneuerbare Energiegewinnung wird in Uganda gefördert, teils mit Geldern der EU, manche Entwicklungsprojekte auch mit deutscher Beteiligung, teils mit privatem Kapital in Private-Public-Partnership-Projekten. Gleichzeitig setzt Uganda auf fossile Großprojekte. Die Regierung verfolgt seit 2017 mit der EACOP den Bau einer »mittelgroßen Kohlenstoffbombe« – so warnte das Climate Accountability Institute. Denn während der anvisierten 25-jährigen Laufzeit würden 379 Millionen Tonnen Kohlenstoff ausgestoßen. Diese Menge übersteigt ein Jahreskontinent Australiens.

Zur EACOP gehören neben der eigentlichen Pipeline zusätzlich Bohrtürme auf zwei Ölfeldern: Tilenga, betrieben durch Total Energies am nördlichen Ende des Albertsees; sowie das Ölfeld Kingfisher am südlichen Seeufer, betrieben durch Total Energies Uganda und die China National Offshore Oil Corporation, die acht Prozent am EACOP Projekt hält. Außerdem gehören zur EACOP Straßen, Brücken und Pumpen bis hin zum geplanten Bau einer Raffinerie in Kabaale (Uganda). In Tanga wurde mit dem Bau eines maritimen Tiefseehafens begonnen, sowie dem Bau eines Tanklagers, das mindestens zwei Millionen Barrel Öl fassen kann. Dafür müssen Küstenmangroven weichen, die Meeresbucht muss ausgebaggert werden.

Vom kolonialzeitlichen Fund…

Tatsächlich geht der EACOP eine lange Geschichte der Suche nach Erdöl durch europäische Akteure voraus – und eine langjährige politische Weichenstellung. Schon die britische Kolonialverwaltung hatte 1925 Erdöl im Albertgraben entdeckt. Mit Hilfe der Weltbank wurde in den frühen 1980er-Jahren die Suche nach Erdöl in Uganda wiederaufgenommen. Und mit China als schwergewichtigem Player im »New Scramble for Africa« eröffneten sich 2006 neue Optionen, als die britische Tullowoil Ölvorkommen im Westen Ugandas bestätigte.

Heute ist China an der EACOP in mehrfacher Hinsicht beteiligt. Nachdem europäische und japanische Banken aus der Finanzierung ausstiegen, hat Total Energies einen Vertrag mit China Petroleum Pipeline Engineering (CPP) über den Bau und die Lieferung von Leitungsrohren unterzeichnet*. Aus Peking dürfte vermutlich auch der noch fehlende Teil der Kredite für die Pipeline kommen.

Doch im Aufbau des ugandischen Ölsektors stecken auch Entwicklungsgelder aus Europa, vor allem aus Norwegen. Die Entwicklungsagentur NORAD hat 2009 nach Selbstauskunft mit dem Oil for Development Programme ein, wie es heißt, »nachhaltiges und verantwortungsvolles Management der Ölförderung« gestärkt*. Zudem finanzierte NORAD die Umweltverträglichkeitsstudie der geplanten Ölraffinerie im Industriepark von Kabaale. Ein ugandisches Notfallteam durfte in Norwegen ein Training absolvieren, der nationale Notfallplan für Ölunfälle (NOSCP – National Oil Spill Contingency Plan) wurde mit der Hilfe von NORAD erstellt.

Zurzeit haben etwa 30 Prozent der ugandischen Bevölkerung Zugang zu Elektrizität. Weniger als sechs Prozent haben Zugang zu sauberen Brennstoffen zum Kochen. So gesehen ist es naheliegend, dass Uganda mit eigenem Öl die Energielücke schließen will.

… zum postkolonialen Erdölland

Der ugandische Anthropologe Paddy Kinyera hat die Governance-Strategien der ugandischen Regierung nach dem Fund des Erdöls analysiert. So beschreibt er in seinem Buch »The Making of a Petro-State«*, wie der Staat Institutionen und Gesetze geschaffen hat, die dem verbreiteten »Afro-Petro-Pessimismus« entgegenwirken. Gemeint ist eine Denkweise, die beim Thema Ölförderung in Afrika die einseitige Abhängigkeit eines Staates von den Öleinnahmen als volkswirtschaftliches Risiko betrachtet. Es werde institutionelles Versagen befürchtet, das kein gutes Investitionsklima schaffe. Genau dieses braucht Uganda jedoch, weil es selbst nicht die Mittel hat, Förderung und Export der fossilen Energieträger zu bewerkstelligen.

Und Ölgeschäfte funktionieren besser in einem sicheren Umfeld. 1985 schuf Uganda mit dem Petroleum Exploration and Production Act einen ersten rechtlichen Rahmen für die Ölindustrie*. Dabei konzentriert sich das Gesetz auf das Recht des Inhabers einer Erdölförderlizenz, Land zu pachten. Das entspricht einer rechtlichen Vorlage für die Legalisierung von Landnahmen. Das ist in einer stark besiedelten Region bedenklich, in der die lokale Bevölkerung oft keine offiziellen Landtitel besitzt. Dazu kommt die starke Militarisierung in der Region Hoïma am Albertsee. Das Netzwerk albertinewatchdog.org beklagt: Die ugandische Regierung hatte 2018 eigens eine »Oil and Gas Police Protection Unit« ins Leben gerufen. Ihr wird inzwischen gewaltsames Vorgehen gegen Anwohner*innen vorgeworfen, von Vertreibungen bis hin zu Vergewaltigungen.

Landvertreibungen und ökologische Risiken werden von lokalen wie internationalen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen laufend dokumentiert. Dazu gehören die ugandische Fridays for Future-Bewegung, das Afrikanische Institut für Energiepolitik, das Centre for Strategic Litigation in Tansania, das über Klagen Teilhabe an Entscheidungen einfordert, oder auch das Witness Radio Uganda. Die härtesten Kritiker*innen der EACOP sind Betroffene, vor allem in Uganda.

Es geht um viel Geld und dessen Verwendung. Die geschätzten Kosten für das EACOP-Projekt belaufen sich auf 3,5 bis vier Milliarden Dollar. Mit den (noch nicht umfassend zugesagten) Krediten bürden sich Uganda und Tansania, die jeweils nur 15 Prozent Anteile an der EACOP halten, Schulden auf. Energiesicherheit für die Armen ist das nicht. Anfang April 2024 hat China die ugandische Energieministerin Ruth Nankabirwa nach Peking eingeladen. Dies könnte ein Durchbruch in Ugandas Bemühungen sein, chinesische Geldgeber für die restliche Finanzierung zu gewinnen. Dann wird sehr wahrscheinlich werden, dass das ostafrikanische Erdöl in Zukunft aus deutschen Total-Tankstellen fließt.

Tankstellenfinder Total Energies in Europa - jeder schwarze Punkt steht für eine Tankstelle von Total Energies
Tankstellenfinder Total Energies | Quelle: Screenshop Google-Maps

Martina Backes ist Mitarbeiterin im iz3w. Sie ist an einer gemeinsamen Medienkampagne von Witness Radio Uganda und dem südnordfunk beteiligt. Dabei werden seit März 2024 die Entwicklungen rund um die EACOP auf unserer Webseite dokumentiert, auf einer Playliste sind die Audiobeiträge abrufbar. Im kommenden Heft geht es um den auch internationalen Widerstand gegen die Pipeline sowie um dessen Kriminalisierung in Uganda.

Dieser Artikel ist erschienen im iz3w-Heft Nr. 402 Heft bestellen
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