Die Feuerwehr schaut auf die Rauchwolken des Waldbrandes im Norden Kaliforniens 2019
Was tun, wenn es brennt? | Foto: BLMIdaho CC BY 2.0

Was tun gegen die Klima­krise?

In der Klimakrise unterscheiden sich die politischen Strategien wie immer: abwarten, reformieren oder revolutionieren. Das Abwarten scheint am praktikabelsten zu sein, das Revolutionieren am nötigsten. Wie wird also Letzteres praktikabel?

von Peter Bierl

19.10.2023
Veröffentlicht im iz3w-Heft 399
Teil des Dossiers Klimakrise

Selbst wenn alle Klimaschutzmaßnahmen, die bisher beschlossen sind, konsequent umgesetzt würden, käme es zu einer Erderwärmung von 2,7 Grad. Die bewohnbare Fläche auf diesem Planeten wird dermaßen schrumpfen, dass etwa ein Drittel der Menschheit ihr Zuhause verliert. Dieses Horrorszenario trug Hans Joachim Schellnhuber im Juli 2023 vor. Er ist der bekannteste deutsche Klimaforscher, ein bürgerlicher Wissenschaftler, der Kanzlerin Angela Merkel und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (beide CDU) beraten hat. Schellnhuber fragte dann, ob jemand einen Plan habe, wie man 2,7 Milliarden Menschen friedlich umsiedeln könnte.

Es ist nicht zu erwarten, dass alle beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen verwirklicht werden – und der Klimawandel ist nicht die einzige Form der Umweltzerstörung. Das Artensterben oder der Ruin des Bodens durch die kapitalistische Landwirtschaft haben ebenfalls gravierende Folgen. Trotzdem steht weder der Weltuntergang noch das Aussterben der Menschheit bevor. Auch der Kapitalismus wird mit der Klimakrise nicht zusammenbrechen, sondern sich als flexibel erweisen: Bleiben werden Wohlstandsfestungen hinter Mauern und Stacheldraht, inmitten einer Wüste des Elends und des Todes, beherrscht von autoritären Regimen, Warlords und Gangs. Wir sind mittendrin in dieser Entwicklung.

Hilft bürgerliche Politik?

In aller Welt sind rechte Bewegungen erfolgreich, der Islamismus, der Hindunationalismus, die politische Rechte in Lateinamerika. Bürgerlich-demokratische Regierungen haben dem wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil, sie befördern diese Tendenz, weil ihre Politik auf den maximalen Profit ihres jeweiligen Kapitals in der internationalen Konkurrenz zielt. Das wiederum verschärft soziale Gegensätze, erhöht internationale Spannungen bis hin zum Krieg und treibt die Umweltzerstörung voran.

Mit der Klimakrise bricht der Kapita­lismus nicht zusammen

Die liberal-demokratischen Regierungen tragen dazu bei, dass selbst in führenden kapitalistischen Staaten des Westens immer mehr Menschen verarmen. Proteste gegen Sozialabbau lässt etwa Präsident Emanuel Macron in Frankreich von der Polizei niederknüppeln. Die Mittelschicht sieht ihren Status bedroht und flüchtet in den neuen Faschismus. Es sind konservative, liberale, sozialdemokratische und grüne Parteien, die die Festung Europa bauen und dafür mit jedem Diktator Bündnisse eingehen. Die sozialdemokratische Innenministerin Nancy Faeser greift die Fundamente des bürgerlichen Rechtsstaates an, wenn sie fordert, unschuldige Familienangehörige von Kriminellen zu deportieren. Und wie zur Zeit des historischen Faschismus sind Liberale und Konservative bereit mit extremen Rechten zu paktieren. Deshalb regieren faschistische Parteien in drei EU-Staaten und sind an drei weiteren Regierungen beteiligt. Die Klimakrise wird von den Rechtsextremen sicher nicht gelöst, sondern nur für deren Propaganda missbraucht.

Klimabedingte Katastrophen werden von bürgerlichen Politiker*innen nicht geleugnet. Aber in der internationalen Konkurrenz müssen Regierungen ihrem Kapital optimale Verwertungsbedingungen sichern – auch, weil der Staatshaushalt selbst materiell darauf angewiesen ist. Das bedeutet Wachstum und Umweltzerstörung. Droht die Wirtschaft zu stagnieren, schreien Wirtschaftsweise und bürgerliche Presse Zeter und Mordio. Die Ampelkoalition hat deshalb gerade das »Wachstumschancengesetz« beschlossen. Notwendig wäre aber, den Verbrauch von Energie, Rohstoffen und Fläche deutlich zu reduzieren.

Helfen Ökogruppen, hilft die Linke, …

Umweltbewegungen, die die Logik des Kapitals akzeptieren, werden hofiert und legitimieren den bürgerlichen Politikbetrieb. Es genügt nicht, wenn Greta Thunberg der UN-Vollversammlung ein trotziges »how dare you« entgegenhält – um dann doch wieder zu jeder Politikprominenz zu dackeln. Der Dialog müsste verweigert werden, weil es nichts zu verhandeln gibt. Dennoch bleibt Fridays for Future (FFF) das Verdienst, eine große Öffentlichkeit hergestellt zu haben. Dazu hat die Breite der Bewegung beigetragen, wenn auch um den Preis inhaltlicher Klarheit und radikaler Forderungen. Letzteres ermöglicht wiederum ihre Einbindung und falsche Orientierung an den Grünen.

Demo-Memo

Politsprüche und ihre Geschichte

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Ein Spiel für junge und alte Linke – und eine Zeitreise in die Geschichte linker Parolen und Demosprüche

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Auch die Aktionsform des Schulstreiks, genauer gesagt eines zeitweisen Unterrichtsboykotts, lässt sich nicht beliebig wiederholen. Die FFF-Bewegung hat ihren Höhepunkt überschritten: Einige Aktivist*innen machen Karriere, viele ziehen sich zurück, andere radikalisieren sich. Davon profitieren Wiedergänger im Retrostil des autoritären Marxismus-Leninismus mit ihrer abgedroschenen Arbeitertümelei und Revolutionsromantik. Der schwedische Humanökologe Andreas Malm propagiert scheinradikal Ökoleninismus und Kriegskommunismus und unterstützt einen Green New Deal. Bei ihm läuft es auf einen starken Staat hinaus, der die Umweltkrise kapitalistisch verwaltet. Gruppen wie Kommunistischer Aufbau oder Klasse gegen Klasse stehen in autoritärer leninistischer Tradition, die Diktaturen hervorgebracht hat. Sie fordern, Banken und Konzerne zu enteignen, was nicht falsch, aber zu wenig ist. Stattdessen muss das gesamte Wirtschafts- und Konsummodell demokratisch umgewälzt und die Industrie um- und rückgebaut werden, um die Umweltzerstörung zu beenden.

Eine andere Form der Radikalisierung stellen Gruppen wie Extinction Rebellion und nun die Letzte Generation dar. Diese erzielt enorme Resonanz in den Medien und ihre Aktivist*innen sind für ihre Konsequenz und ihren Mut zu bewundern. Eigentlich müssten wir uns alle festkleben, statt weiter zu funktionieren. Dabei erhebt die Gruppe harmlose Forderungen, was als Einstieg angehen mag, entwickelt aber bislang keine gesellschaftskritische Perspektive. Ihre Strukturen sind undurchsichtig, die wichtigste Aktionsform, die Straßenblockade, trifft die Falschen. Besser wäre, permanent Auftritte von Politiker*innen und Unternehmer*innen zu stören, Aktionärsversammlungen aufzumischen oder Unternehmen zu blockieren. Ein Vorbild ist hier das Bündnis Ende Gelände, welches Kohleabbau und geplante LNG-Terminals blockiert.

… die Gewerkschaft oder gar die Linkspartei?

Sinnvoll ist die Kooperation von FFF-Gruppen mit Gewerkschaften, etwa mit ver.di bei Streiks im öffentlichen Nahverkehr. Allerdings gibt es Grenzen. Aufgabe von Gewerkschaften ist es, einen guten Lohn für die Ware Arbeitskraft auszuhandeln. Wie ihre Mitglieder als Lohnabhängige sind Gewerkschaften an eine gelingende Kapitalverwertung gebunden. Diese existentielle Abhängigkeit dominiert das Bewusstsein Lohnabhängiger. Manche Beschäftigte sehen ihr Einkommen und ihren Lebensstandard durch die Klimabewegung bedroht, reagieren mit Abwehr und Aggression, einige wählen die rechtsextreme AfD. Andere sehen die destruktiven Folgen der kapitalistischen Lebensweise, fühlen sich aber ohnmächtig.

Die Resignation ließe sich allenfalls überwinden, wenn eine einigermaßen aussichtsreiche, sozialistisch-ökologische Bewegung entsteht. Die Linkspartei erfüllt diese Aufgabe nicht, sondern befindet sich in Agonie. Sollte sich der national-soziale Flügel abspalten, so würde die realpolitische Fraktion dominieren, die in Koalitionen auf Länderebene kaum mehr erreicht haben als die Grünen, aber jede Menge Fehlentscheidungen mitgetragen haben. Das ist etwa der soziale Kahlschlag in Berlin, der neue Berliner Flughafen, der Kohleabbau in Brandenburg, die Nordstream-Pipelines in Mecklenburg-Vorpommern. Dass sich eine verbleibende Linke zu einer radikalen Partei mausert, ist so wünschenswert wie unwahrscheinlich. Notwendig wäre dafür ein massiver Zustrom radikaler Kräfte von außen, aber woher soll der kommen?

Nützt ein Krisenprogramm?

Was ansteht, ist eine grüne Modernisierung des Kapitalismus, bekämpft von der extremen Rechten. Parteipolitisch verkörpern die Grünen und die AfD die Antipoden. Die Grünen haben nichts zu bieten. Der Green New Deal verspricht einerseits Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit, mehr und gut bezahlte Jobs und andererseits die Rettung der Umwelt. Aber das schließt sich gegenseitig aus. Im Ergebnis wird ein Teil der Industrie dekarbonisiert. Aber für Digitalisierung, Elektrifizierung, Elektroautos und Windräder werden im globalen Maßstab enorme Mengen an metallischen Rohstoffen benötigt, deren Gewinnung Landschaft zerstört, Wälder vernichtet und Trinkwasser verschmutzt (siehe iz3w 393). Die Gigafactory von Tesla in Brandenburg, auf einer Kahlschlagfläche im Wasserschutzgebiet, ist ein Musterbeispiel dafür.

Im Unterschied zum klassischen Krisenprogramm des New Deal unter US-Präsident Roosevelt in den Jahren 1933 bis 1938 werden bislang die Steuern für Unternehmen und Reiche nicht erhöht, um Konjunkturprogramme zu finanzieren. Vielmehr werden die Kosten für Reformen in Form höherer Mieten, Energie- und Lebensmittelpreise auf die Lohnabhängigen abgewälzt. Das beutet die extreme Rechte aus, wie das Heizungsgesetz zeigt. Dieses wurde wegen seiner sozialen und ökologischen Defizite von Umwelt- und Mieterverbänden kritisiert, was öffentlich kaum wahrgenommen wurde, weil die bürgerlichen Medien lediglich die rechte Agitation abbildeten. Grundsätzlich muss die Linke Umweltmaßnahmen ablehnen, wenn Lohnabhängige die Kosten tragen sollen, zum Beispiel bei höheren CO2-Preisen, wie sie FFF fordert.

Der New Deal und die Wohlfahrtsstaaten der Nachkriegsära entstanden, weil die herrschende Klasse kompromissbereit war. Die Weltwirtschaftskrise hatte einen Teil der Arbeiterklasse in den USA radikalisiert, die Sowjetunion schien eine Alternative zu bieten. Ihre schnelle Industrialisierung wurde selbst von bürgerlichen Ökonomen gelobt. Im Kalten Krieg galt es, die Lohnabhängigen bei der Stange zu halten. Darum akzeptierte die Bourgeoisie höhere Steuern, sozialen Ausgleich und staatliche Eingriffe in die Wirtschaftsweise.

Eigentlich müssten wir uns alle festkleben, statt weiter zu funktionieren, …

Heute besteht wenig Spielraum für einschneidende Reformen zugunsten Mensch und Umwelt, ohne Folgeschäden auf andere, sprich die sozial Bedürftigen abzuwälzen. Die Gewerkschaften sind geschwächt, gezähmt, auf den nationalen Standort und den sozialen Frieden eingeschworen. In den exportorientierten Branchen verdienen Lohnabhängige relativ gut. Es existiert keine erfolgversprechende linke Perspektive. Im Gegenteil. Das Scheitern staatssozialistischer Diktaturen oder ihre Mutation zur kapitalistischen Entwicklungsdiktatur wie in der Volksrepublik China werfen einen Schlagschatten auf alle Ansätze einer Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung.

Zwar könnte die soziale, ökologische und politische Krise dazu führen, dass die Bourgeoisie größere Eingriffe akzeptiert, etwa nach dem Vorbild einer Kriegswirtschaft. Ulrike Herrmann ist im Buch »Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden« dieser Option nachgegangen. Aber es bleibt immer ein grundlegender Widerspruch stehen, ähnlich wie beim Green New Deal. Das gilt selbst in linken Varianten, die eine soziale Umverteilung beinhalten: Die ökologische Frage erfordert, die Wachstumslogik zu überwinden. Dafür wäre der Bruch mit der Kapitalverwertung notwendig, bloß gibt es momentan keine Kraft, die das bewerkstelligen könnte.

Braucht es eine Revolution?

Die Linke ist marginal und inhaltlich desolat, ihre Fehler, die verkürzte Kapitalismuskritik, das Schwadronieren über Imperialismus und Monopolkapital, die Ignoranz gegenüber Antisemitismus – das alles fällt ihr auf die Füße.

Eine emanzipatorische Linke muss auf Vernunft und Verstand beharren, um Gesellschaftskritik zu treiben, und die Menschenrechte verteidigen. Vor allem muss die Linke sagen, was sie will, wie eine bessere Gesellschaft aussehen und funktionieren soll. Das beinhält die Frage, wie Menschen in einer intakten Umwelt leben können.

Gesellschaftskritik ist unsere vornehmste Aufgabe. Aber viele wollen wissen, was man konkret tun kann. Was hätten wir zu bieten? Ein materiell sorgenfreies Leben, ohne Stress, Konkurrenz und Leistungsdruck, aber mit viel Muße für die eigene Entfaltung, für Freundschaften und Beziehungen. Eine sinnvolle Arbeit für sich und andere, ohne die Umwelt zu zerstören. Eine richtige Demokratie in Gestalt von Versammlungen und Räten, in denen alle über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen mitentscheiden können.

Grundlage dafür wäre eine demokratisch geplante Wirtschaft, in der Gebrauchsgüter hergestellt werden. Privateigentum an Produktionsmitteln gibt es dann nicht mehr, abgesehen von einigen kleinen bäuerlichen und handwerklichen Produzent*innen, die keine fremde Lohnarbeit ausbeuten. Notwendig wäre eine komplette Umstellung der Produktion, ein Um- und teilweise Rückbau zentraler Bereiche der Wirtschaft sowie eine ökologische Landwirtschaft. Einerseits muss es Wachstum geben, um die Armut zu überwinden, vor allem im globalen Süden, andererseits muss der globale Gesamtverbrauch an Energie, Rohstoffen und Fläche aus ökologischen Gründen schrumpfen.

Für so eine Lösung der Klimakrise ist der Bruch mit dem Kapitalismus notwendig. Die ökologische Frage ist nicht zuletzt eine soziale Frage und eine Klassenfrage. Es ist die Minderheit der Besitzer*innen von Produktionsmitteln, die für die Investitionen verantwortlich ist, welche die Umwelt zerstören. Mit dem Reichtum, den sie aus den Lohnabhängigen und der Natur pumpen, hinterlassen sie einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck.

Was tun?

Strategisch müsste sich eine radikale Linke auf Probleme und Konflikte in Betrieben und Wohnquartieren fokussieren, um zu zeigen, dass man gemeinsam etwas erreichen kann. Kapitalismus muss praktisch in Frage gestellt werden, indem eine Vergesellschaftung jener Sektoren gefordert wird, bei denen die Profitlogik bereits vielen als widersinnig erscheint, etwa im Gesundheitswesen. Kampagnen wie »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« zeigen, worauf es ankäme, wenn wir Menschen außerhalb linker Subkulturen gewinnen wollen: aufs Klinkenputzen. Ebenso ist die Klimakrise ein globales Problem, das nur mittels vielfacher lokaler Mobilisierung konstruktiv gewendet werden kann.

Voraussetzung wäre, eine kohärente inhaltliche Grundlage zu erarbeiten, aktuelle Entwicklungen und Bewusstseinsformen zu analysieren, und darauf aufbauend Strategien, Forderungen und Aktionsformen zu entwickeln. Es braucht Bewegungen, Netzwerke und Bündnisse, um etwas zu verändern, vor allem aber eine verbindliche Organisation, die solche Prozesse gestaltet und trägt und politische Orientierung bietet.

Peter Bierl ist Mitglied der Gruppe LEA (Left Ecological Association), Journalist und Autor. Zuletzt erschien von ihm »Unmenschlichkeit als Programm« (Verbrecher Verlag 2022) über Sozialdarwinismus in der Linken.

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